Die Geburt kam schnell, sehr schnell. Wer die Planung nicht schon während der Schwangerschaft in die Hand nimmt, hat das Nachsehen.
In Wiesbaden und Umgebung haben werdende Eltern immer größere Schwierigkeiten, eine Hebamme zu finden. Dabei ist die Betreuung durch eine Hebamme wertvolle Unterstützung für Familien und vor allem wichtig für die Gesundheit der Frau und des Kindes.
„Als meine kleine Tochter auf die Welt kam, haben wir leider keine Hebamme für die Nachsorge gefunden. Gerade in der ersten Zeit mit unserem Baby hatten wir viele Fragen und hätten die Unterstützung gerne in Anspruch genommen.“ – Simon Rottloff, SPD Bundestagskandidat
So wie es Simon Rottloff vor zwei Jahren ging, geht es sehr vielen werdenden Eltern in Deutschland und vor allem auch in Wiesbaden. Wer sich nicht gleich bei positivem Schwangerschaftstest um eine Hebamme bemüht, hat kaum eine Chance, eine zu bekommen. In Wiesbaden sind Hebammen momentan acht Monate im Voraus ausgebucht! Wer nicht in oder nahe der Innenstadt, sondern in Stadtteilen wie Kloppenheim oder Delkenheim wohnt, hat gar keine Chance auf eine Betreuung.
„Der Mangel an Hebammen führt nicht nur zu einer Unterversorgung im Wochenbett, auch Plätze in Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskursen sind schwer zu bekommen.“ – Silke Then, freiberufliche Hebamme
Die Freiberufliche Hebamme Silke Then berichtet, dass sie an manchen Tagen bis zu zehn Anrufe von Schwangeren erhalte und sie allen absagen müsse, weil sie ausgebucht sei. Auch in den Kreißsälen der Kliniken gibt es zu wenig Hebammen. Eine Hebamme betreut häufig drei Frauen gleichzeitig. „Das führt dazu, dass Gebärende lange allein gelassen werden“, so Then,
Hausgeburt in Wiesbaden
Für die Begleitung einer Hausgeburt steht in Wiesbaden gar keine Hebamme mehr zur Verfügung. Das schränkt Frauen bei der Wahl des Geburtsortes ein. Dazu kommt, dass immer mehr geburtshilfliche Abteilungen in Krankenhäusern in ländlichen Gebieten schließen. Schwangere müssen immer häufiger weite Wege bis zur nächsten Geburtsstation auf sich nehmen.
Silke Then sieht im Mangel an Hebammen vor allem einen Verlust für die Gesundheitsversorgung. „Wir schauen vor, während und nach der Geburt nach der physischen und psychischen Gesundheit der Frau und auch des Kindes. Unsere Leistungen sind sehr wichtig für junge Familien und dürfen uns in Deutschland nicht verloren gehen“, sagt sie.
Ursachenforschung
Der Grund für die Unterversorgung an Hebammen sind die sich immer weiter verschlechternden Arbeitsbedingungen. In Deutschland arbeiten derzeit rund 23000 Hebammen, 70 Prozent von ihnen sind freiberuflich tätig. Die freiberuflichen Hebammen verdienen durchschnittlich rund 2.500 Euro brutto. Von ihrem Gehalt müssen sie hohe Beiträge für die Berufshaftpflicht bezahlen. Die Beiträge sind in den vergangenen 10 Jahren um unglaubliche 310 Prozent gestiegen.
„Viele gehen früher in Rente, oder schulen sogar um.“ – Silke Then, freiberufliche Hebamme
Zum 1. Juli 2017 sind sie erneut gestiegen. Jetzt kostet die Berufshaftpflicht für eine Hebamme 7.639 Euro im Jahr. Die Versicherungen begründen die Beiträge mit dem Risiko von Regressforderungen im Schadensfall bei einer Geburt. Der Arbeitsdruck durch den Mangel an Kolleginnen, der Frust, der entsteht, weil man die Schwangeren nicht hinreichend betreuen kann, der geringe Verdienst und die vielen komplizierten Vorschriften – all das seien Gründe dafür, dass sich viele Hebammen von ihrem Beruf abwenden, sagt Silke Then.
Verbesserung der Hebammenversorgung
Die Situation der Hebammen und die Konsequenzen für werdende Familien sind nicht länger hinnehmbar. Um langfristig Entlastung zu schaffen und die geburtshilfliche Versorgung und die Gesundheit für werdende Familien langfristig zu sichern, ist ein Systemwechsel notwendig – müssen Krankenkassen und Pflegeversicherungen in Zukunft den Regress übernehmen, damit die Haftpflichtprämien für Hebammen günstiger werden.
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