Er steht nicht auf, sondern vor der Kanzel, nicht distanziert, sondern nahbar. Walter Kohl spricht locker und ohne Manuskript: Von seinen eigenen Erfahrungen.
Der Freitod der Mutter, die CDU-Spendenaffäre, die eigene gescheiterte Ehe, das zerrüttete Verhältnis zum Vater: Walter Kohl, der ältere Sohn von Altkanzler Helmut Kohl, steht in der gut gefüllten Wiesbadener Marktkirche. Er spricht von Hoffnungslosigkeit, vom seelischen Absturz, seinem eigenen Selbstmordversuch und wie er irgendwann wieder zurück ins Leben fand. Die Veranstaltung trägt den Titel Mit dem Tod versöhnen. Die Stadtkirchenpfarrerin Annette Majewski hatte eingeladen,. Zwar spricht Kohl an diesem Abend in seiner Funktion als Schirmherr des Frankfurter Netzwerks für Suizidprävention, ein Netzwerk, in dem er sich seit Jahren engagiert. Vor allem aber spricht er aus eigenem Interesse. Kohl spricht von den Miseren seiner Familie, dem Freitod der Mutter und den eigenen Suizidversuch. Die Spenden, die nach dem Vortrag am Ausgang gesammelt wurden, fließen komplett in die Arbeit der Suizidprävention.
„Aus mein seiner Geschichte habe ich gelernt, trotz aller Todesnähe und gegen alle Depression „Ja“ zu sagen zum Leben, Haltung bewahren und sie gestalten.“ – Walter Kohl
Es berührt schon, wenn ein Mensch, dessen Familientragödie vor den Augen der ganzen Nation ausgetragen wurde, sich in der Öffentlichkeit so ehrlich und nahbar zeigt, denn dass macht er. Kohls persönlicher Weg aus seiner seelischen Krise ist aber dann doch schnell erzählt: Nicht nach dem ‚Warum‘ fragen, sondern das Leben wieder gestalten, ihm wieder einen Sinn geben – diese Einsicht habe maßgeblich zu seinem inneren Frieden beigetragen, so Kohl. Ein Schlüsselerlebnis am Grab seiner Mutter hätte ihm dabei die Augen geöffnet.
„Ich fragte mich damals: Will meine Mutter, dass ich unter ihrem Tod leider? Nein. Sie will, dass ich mein Leben gestalte.“ – Walter Kohl
Vor allem der Philosoph Viktor Frankl habe ihm wichtige Hinweise in seinen Schriften gegeben. Trotzdem Ja zum Leben sagen sei ein fantastisches Buch von Frankl, findet der 58-Jährige. Der zweite wichtige Impuls war die Beschäftigung mit philosophischen Gedanken, allen voran dem Stoiker Seneca. Der dritte Eckpfeiler war die Wiederentdeckung des christlichen Glaubens, auch wenn er mit der katholischen Amtskirche bis heute hadere.
„Wir können dem Tod nicht ausweichen, aber wir können eine sinnhafte Antwort auf ihn finden.“ – Walter Kohl
Dass er heute auf öffentlichen Bühnen über den Tod seiner Mutter sprechen könne, dass er sich in der Suizidprävention und der Depressionshilfe engagiere und andere Menschen stärke, habe ihm gezeigt: „Wir können dem Tod nicht ausweichen, aber wir können eine sinnhafte Antwort auf ihn finden.“ Walter Kohl hat sie gefunden.
Impressionen

Foto oben ©2021 Volker Watschounek
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Die offizielle Internetseite von Walter Kohl finden Sie unter walterkohl.eu.