Die „jungen Alten“ sind auf dem Vormarsch. Das Marketing verändert seine Blickrichtung: Der Jugendwahn kommt an sein Ende und ältere Menschen rücken in den Mittelpunkt.
Vor einigen Jahren wurde Professor Bernhard Meyer von einer Bürgermeisterin gefragt, warum die Seniorenangebote ihrer Stadt seiner Meinung nach immer weniger genutzt würden. Meyer hielt dagegen, dass die Generation der jungen Alten körperlich und geistig fitter sind wie früher. Es liegt nahe, dass sich die jungen Alten von Begriffen wie Senior oder Rentner und dendamit verbundenen Vorstellungen gar nicht angesprochen fühlten. Meyer führte eine Studie durch, in der er seine Vermutung bestätigt fand.
„Kaffeekränzchen und Strohsterne sind nichts für die“ jungen Alten“, sie gehen an ihrem Bedarf vorbei.“ – Professor Bernhard Meyer
Im Wiesbadener Stammhaus der Nassauischen Sparkasse (Naspa) stellte Meyer seine Erkenntnisse 40 kommunalen Vertretern vor. Unter den Gästen waren auch sechs Bürgermeister, die der Einladung von Naspa-Vorstandsmitglied Bertram Theilacker zu Vortrag und Diskussion gefolgt waren.
„Als wir noch jung waren, konnten wir alte Leute ganz deutlich erkennen. Die trugen wahlweise weiße Haare oder Glatze, Kittelschürze oder Dutt. Die saßen in Schaukelstühlen, häkelten oder rauchten Pfeife.“ – Bertram Theilacker
Theilacker räumte ein, dass dieses Bild schon damals klischeebehaftet gewesen sein könnte und fuhr fort, dass diese älteren oder alten Menschen vielleicht gerne Strohsterne gebastelt und sich bestimmt auch gerne zum Kaffeekränzchen getroffen hätten. „Heute tun sie das nicht mehr. Vielen öffentlichen Angeboten für Senioren gehen mittlerweile die Besucher aus.“
„In dieser Phase setzen die Menschen ihr bisheriges Leben fort, nur sind sie nicht mehr berufstätig. Sie sind fit am Computer und in den sozialen Netzwerken unterwegs.“ – Professor Bernhard Meyer
Die jungen Alten reisen viel, treiben Sport, bilden sich weiter und pflegen soziale Kontakte, vorzugsweise in einem Verein. Angebote, die das Etikett „für Senioren“ oder „für Ältere“ tragen, schreckten sie eher ab, so der Professor, der dann seine Alternativen zu Kaffeekränzchen und Strohsterne vorstellte.
Renteneintritt mit mit 75
In der anschließenden Diskussion stellte ein Zuhörer die Frage, ob das Renteneintrittsalter nicht auf 75 Jahre angehoben werden sollte. Meyer meinte, dass es jedem ermöglicht werden sollte, länger zu arbeiten, wenn er dies möchte. Entscheidend sei die Autonomie: „Sie entscheiden, nicht die anderen.“ Erwachsene blieben Erwachsene, sie müssten nicht bevormundet werden. Dabei sei das Selbstbild nicht das Problem. Menschen im Ruhestand werde aber das gesellschaftliche Etikett „alt“ angeheftet. Das entspreche nicht mehr den heutigen Verhältnissen.
Zur Person Professor Bernhard Meyer
Zur Person des Referenten: Professor Bernhard Meyer (Jahrgang 1946) arbeitete seit 1978 an der Evangelischen Fachhochschule in Darmstadt im Fachbereich Sozialarbeit/ Sozialpädagogik. Er ist Sozialarbeiter und Diplom-Pädagoge und lehrte Sozialplanung, Gemeinwesenarbeit, Pädagogik nichtprivilegierter Gruppen sowie Neue Technologien. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich mit Spielräumen für Kinder und Jugendliche und engagiert sich besonders für deren Beteiligung an einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Außerdem arbeitet er zu sozialwissenschaftlichen Aspekten der Nutzung privater und öffentlicher Räume. Weitere Informationen unter http://www.besitzbare-stadt.de/links/meyer.pdf.