Die Fachkommission empfiehlt die Umbenennung der Christian Bücher-Halle, der Gerhart Hauptmann-Schule, vom Opelbad und weitere Plätze und Straßen.
Die Landeshauptstadt Wiesbaden hat kürzlich den lang ersehnten Abschlussbericht der Historischen Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen veröffentlicht. Diese Untersuchung ist das Resultat einer intensiven Auseinandersetzung mit den Biografien von Personen, nach denen Wiesbadener Straßen und Gebäude benannt sind und deren mögliche Verbindungen zum Nationalsozialismus.
Der Fall Pfitzner zeigte, dass der Umgang mit persönlichen Verstrickungen und dem Handeln von Persönlichkeiten in der NS-Zeit mit größerer zeitlicher Distanz neu diskutiert und bewertet werden kann.
Dr. Hendrik Schmehl
Die Diskussion begann 2018 mit der Gründung einer Bürgerinitiative, die Unterschriften für die Umbenennung der Pfitznerstraße sammelte. Der Namensgeber, Hans Pfitzner, hatte in seinen politischen Schriften offen antisemitische Ansichten vertreten und auch nach dem Zweiten Weltkrieg den Antisemitismus befürwortet. Dies führte schließlich zur Umbenennung der Straße. (Wiesbaden lebt! berichtete)
Die Stadtverordnetenversammlung handelte und beschloss am 13. Februar 2020 die Umbenennung der Straße. Im Zuge dessen hatten sich die Stadtverordneten ebenso für die Einrichtung einer Historikerkommission ausgesprochen. Eine Kommission, die die Biografien der Namenspatrone Wiesbadener Verkehrsflächen und Einrichtungen systematisch untersuchen sollte. Die Kommission hat sich unter der Leitung von Professor Dr. Christoph Cornelißen der Aufgabe angenommen, verschiedene Namen auf die Waage gelegt und Empfehlungen im Umgang mit den diesen ausgesprochen.
Der Abschkussbericht liefert Einschätzungen für die Entscheidungsfindung der politisch Handelnden im Umgang mit den Benennungen von Straßen, Gebäuden und Einrichtungen. Er gibt außerdem spannende Einblick in die städtischen Erinnerungskultur.
Dr. Hendrik Schmehl
Die Historische Fachkommission hat in 18 von 71 untersuchten Fällen eine Umbenennung empfohlen. Diese sind im Ortsteil Biebrich: Sauerbruchstraße, Otto-Schmelzeisen-Dojo, Adolf-Todt-Straße; im Ortsteil Bierstadt: Gerhardt-Katsch-Straße, Heinrich-Pette-Straße; im Ortsteil Amöneburg: Alexander-von-Engelberg-Straße; im Ortsteil Mitte: Kronprinzenstraße, Herbertanlage; im Ortsteil Naurod: Rudolf-Dietz-Straße, Rudolf-Dietz-Schutzhütte mit Brunnen; im Ortsteil Nordost: Opelbad, Wilhelm-von-Opel-Schutzhütte, Jonas-Schmidt-Straße, Alfred-Schulte-Hütte, Richard-Strauß-Straße; im Ortsteil Rheingauviertel/Hollerborn: Gerhart-Hauptmann-Schule; im Ortsteil Schierstein: Christian-Bücher-Straße und im Ortsteil Südost: Elmendorffstraße, Overbeckstraße und Viktoria-Luise-Straße. In weiteren zwölf Fällen empfiehlt die Fachkommission eine Kontextualisierung, während 41 Fälle unverändert bleiben können.
Biografien – geprüft und unbedenklich
Krag, Emil Adolf (1889–1966) | Krehl, Ludolf von (1861–1937) | Kunz Aloys (1869–1940) | Kunze, Siegfried (1924–1990) | Laut, August (1885–1963) | Lenges, Friedrich (1887–1952) | Leutelt, Gustav (1860–1947) | Lonquich, Kurt (1914–1991) | Naab, Jakob Paul (1872–1954) | Österreicher, Anton (1912–1992) | Römer, Hans (1918–2005) | Ruf, August (1869–1958) | Rüth, Georg (1880–1945) | Salizé, Georg (1874–1959) | Schick, Peter (1900–1996) | Schliffer, Wilhelm (1896–1972) | Schön, Helmut (1915–1996) | Schott, Lorenz (1915–1970) | Schumann, Alfred (1898–1960) | Sulzbach, Johann Heinrich (1884–1955) | Synek, Liane (1922–1982) | Ullmann, Friedrich (1901–1961) | Wittgen, Philipp (1864–1942) | Zeeh, Anton (1900–1971) | Albert, Karl (1893–1969) | Bausch, Wilhelm (1879–1960) | Böhm, Karl (1878–1963) | Drebert, Karl (1896–1972) | Frenger, Karl (1871–1961) | Gärtner, Karl (1913–1944) | Genzmer, Hertha (1896–1971) | Gieseking, Walter (1895–1956) | Gitter, Hermann (1900–1960) | Göbel, Ernst (1897–1962) | Gontermann, Fritz (1868–1952) | Hallstein, Walter (1901–1982) | Henius, Carla (1919–2002) | Hoffmann, Curt (1862–1947) | Hußler, Friedrich (1915–2000) | Jansen, Hermann (1869–1945) | Juppe, Wilhelm (1904–1978)
Neben der Bewertung im Hinblick auf den Nationalsozialismus liefert der Abschlussbericht der Historischen Fachkommission auch wichtige Einblicke in die bisherige Benennungspraxis in Wiesbaden. Die Kommission zeigt auf, dass Frauen unter den Namenspatronen der Stadt deutlich unterrepräsentiert sind und dass die meisten Namensgeber starke lokale Beziehungen zu Wiesbaden aufweisen.
Weiterer politischer Prozess
Der Magistrat der hat den Abschlussbericht zur Kenntnis genommen und an die Ortsbeiräte zur Diskussion weitergegeben. In den kommenden Monaten sind verschiedene Veranstaltungen geplant, um Anwohnern und der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Diskussion über die Namensgeber und deren Bewertung zu geben. Wiesbaden lebt! wird hier zu den Ortsbeiräten Kontakt halten und über die Entwicklungen berichten. Der Abschlussbericht wird kürze auch in Buchform veröffentlicht. Wer nicht solange warten möchte kann sich den Bericht auch herunterladen und am Tablet lesen.
Umbenennung des Opelbad
Die Historische Fachkommission hat beschossen, dass die Aufrechterhaltung einer Namensgeberschaft nach Wilhelm von Opel nicht haltbar ist. Sie begründet ihre Entscheidung mit den Tatsachen, dass Wilhelm von Opel verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen angehört hat, – und auch vor 1933 in einer völkisch-nationalistischen Gruppe mitgewirkt hat. Darüber hinaus habe er sich durch Spenden die NS- Bewegung wirksam materiell unterstützt und sich wahrnehmbar zu Adolf Hitler bekannt, so die Fachkommission.
Meinungsumfrage
Foto oben ©2023 LH Wiesbaden / bearbeitet Volker Watschounek
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Die Online-Ausgabe des Abschlussbericht können Sie unter www.wiesbaden.de herunterladen.