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Kranzniederlegung: Gedenken am Mahnmal in der Bahnofstraße: Dr. Gerhard Obermayr, Fatima Stieb, Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende Foto: Volker Watschounek

Kranzniederlegung: Wiesbaden erinnert an Sinti und Roma

119 Sinti aus Wiesbaden und der Umgebung wurden am 8. März 1943 über den Wiesbadener Güterbahnhof nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Seit nunmehr 30 Jahren gedenken der Hessische Landesverband Deutscher Sinti und Roma den Verfolgten: so auch am Dienstag.

Volker Watschounek 2 Jahren vor 0

In Wiesbaden wurde mit einer Kranzniederlegung und Redebeiträgen an die Deportation von 119 Sinti und Roma in das Konzentrationslager Auschwitz vor 79 Jahren gedacht.

Das vergessene Mahnmal, noch zu wenig bedacht und doch so bedeutsam: bundesweit zählt es zu den ersten Mahnmalen, die an den Völkermord an Sinti und Roma erinnern. Eben dort, wo die aus Wiesbaden deportierten 119 Sinti 1943 auf ihrem Weg zum Güterbahnhof vorbei mussten – schritt für Schritt ihrer geplanten Vernichtung entgegen. Bereits am Tag zuvor wurden sie von Polizisten und der verhaftet und in der ehemaligen Synagoge in der Friedrichstraße eingepfercht. Eben dort, wo ein Jahr vorher Wiesbadener Juden vor ihrer Deportation interniert wurden. Obwohl die Nazis uns Sintis das Leben verdammt schwer gemacht hatten, war ich doch völlig überrascht, berichtet ein Sinto später.

„Unserem Selbstverständnis nach haben wir uns damals – genau wie heute – in erster Linie als Deutsche gefühlt. Mein Vater hatte im Ersten Weltkrieg bei den berittenen Ulanen gedient. Mein Bruder Alfons hatte es im Zweiten Weltkrieg zum Obergefreiten gebracht.“ – Wiesbadener Sinto

Am Morgen des 8. März wurden die Männer, Frauen und Kinder über die Bahnhofstraße zum Bahnhof getrieben und von dort in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert.Unter ihnen auch Silvester Lambert und ihr Bruder Alfons. Alfons ahnte wohl, was man mit ihnen vorhatte. Am Bahnhof sagte er zu seinem Bruder Wiesbaden, wir werden uns nie wiedersehen. Diese Vorahnung hat auf die meisten Sinti, die bisher in und um Wiesbaden gewohnt, gelernt und gearbeitet hatten, zugetroffen.Die jüngst von ihnen war Marie Meyer. Sie war erst wenige Wochen alt. Kaum jemand überlebte. Diejenigen, die überlebt haben, hatten meistens den Großteil der Familien verloren – und selbst unvorstellbares leid erlebt. Ein Kleid, das die Gesellschaft lange Zeit nicht wahr haben und sehen wollte.

„All die Auszeichnungen und die Tatsache, dass Alfons etliche Orden besaß worden war, hat nicht geholfen. Er wurde sogar in Uniform verhaftet und ins KZ geworfen. Wir haben uns überhaupt keinen Grund vorstellen können, warum wir weg sollten.“ – Wiesbadener Sinto

Als viele der Deportierten nach 1945 Heim kehrten hörten die Probleme nicht auf. Die ausgebombten Städter – in Wiesbaden und anderswo – hatten mit den überlebenden Sinti Probleme. Sie sahen sie keinesfalls als Nachbarn oder Mitbürger. Nach Kriegsende ist der Antiziganismus bei vielen geblieben. Bei Behörden oder bei der Polizei saßen die gleichen Personen. Menschen, die sich vorher an der Diskriminierung. Verfolgung und Deportation beteiligt hatten. In vielen fällen waren es auch sie, die über die Anerkennung und entsprechende Entschädigungen entschieden. Die Folge: Auch nach 1945 ist es lange noch immer wieder zu erniedrigenden, verletzenden und retraumatisierten Begegnungen gekommen. Das änderte sich erst 1970.

„Wir dürfend die Menschen, die heute unter Verfolgung, Krieg und Gewalt bedroht sind nicht vergessen!“ – Fatima Stieb

Ab 1970 entwickelte sich eine Bürgerrechtsbewegung, die sich für die rechte von Minderheiten – wie für Sintis und Romas einsetzte. Seitdem hat sich vieles verbessert, jedoch zu wenig für ein gleichberechtigtes Miteinander. Solange es zu rassistischen Anschlägen wie in Hanau kommt, gibt es noch viel zu tun. Das erschütternde Ereignis ist nicht nur für die Gesellschaft eine Gefahr, sondern auch für alle diejenigen, die zu der Gruppe der potenziellen Opfer zählen. Unter Sintis und Romas färbt auch schon ab. Neben den Berichten über die große Hilfsbereitschaft mit der die Geflüchteten  empfangen werden, nehmen Geschichten von Ausgrenzun en zu. Nachrichten von Nicht-Weißen Opfern und von Romas. Nachrichten von Personen, die an den Grenzen nicht durchgelassen werden, die man nicht in Busse einsteigen lässt  – denen Unterstützung versagt wird. Die Situation in der Ukraine zeigt, wie instabil das moralische Fundament in unseren Gesellschaften in Krisenzeiten ist. In der großem Hilfsbereitschaft zeigt sich vor allem eins: Menschlichkeit.

Impressionen von der Gedenkstunde

Flickr Album Gallery Pro Powered By: Weblizar

Foto oben ©2021 Volker Watschounek

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Die offizielle Internetseite des Landesverbands Deutscher Sinti & Roma finden unter sinti-roma-hessen.de.

 

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Geschrieben von

Volker Watschounek lebt und arbeitet als freier Fotograf und Journalist in Wiesbaden. SEO und SEO-gerechtes Schreiben gehören zu seinem Portfolio. Mit Search Engine Marketing kennt er sich aus. Und mit Tinte ist er vertraut, wie mit Bits und Bytes. Als Redakteur und Fotograf bedient er Online-Medien, Zeitungen, Magazine und Fachmagazine. Auch immer mehr Firmen wissen sein Know-how zu schätzen.