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Andreas Kowol: „Radfahrer haben keinen Spurhalteassistenten“

Andreas Kowol spricht sich gegen die Helmpflicht für Fahrradfahrer aus. Das wäre Kontraproduktiv. Vielmehr setzt Wiesbadens Verkehrs- und Umweltdezernent auf Pedelecs. Wer einmal darauf saß. möchte gar nicht mehr aufhören zu strampeln.

Volker Watschounek 5 Jahren vor 0

Als junger Bursche hat er mit dem Rad Wetten gewonnen und auch im Alter ist das Rad für Andreas Kowol Alltag. Die letzte Passüberquerung ist nicht lange her.

Das Radfahrer-Gen hat Wiesbadens Umwelt- und Verkehrsdezernent Andreas Kowol fast mit in die Wiege gelegt bekommen. Mit vier oder fünf sitzt er zum ersten Mal auf dem Fahrrad. Nicht viel später ist er so flink, dass er seinen Eltern bei kleineren Touren immer wieder davon fährt. Die sportliche Seite hat sich Wiesbadens Verkehrsdezernent bis heute bewahrt. Erst letzten Sommer hat er ein paar Pässe in den französischen Alpen überquert.

Klimatest

Am 9. April wurde der aktuelle Klimatest veröffentlicht. Auch wenn sich das Ergebnis leicht verbessert hat, Wiesbaden bleibt nach 2014 und 2016 auch 2018 auf dem letzten Platz und 0,02 Punkte hinter den Städten Mönchengladbach und Saale. Das gibt Anlass, um mit Andreas Kowol über das Fahrradfahren in Wiesbaden zu sprechen.

Andreas Kowol und sein Lastenfahrrad

Andreas Kowol und sein Lastenfahrrad @2018 Volker Watschounek

Interview mit Andreas Kowol

Herr Kowol, sie sind nicht erst seit gestern, sondern gefühlt immer schon, nahezu täglich mit dem Fahrrad unterwegs. Fahrradfahren in Wiesbaden, bedeutet ist für Sie mehr Stress oder mehr Freude?

Fahrradfahren in Wiesbaden und im Rheingau ist toll. Es macht Spaß, weil man beim Radfahren ein Urgefühl wunderbar ausleben kann. Im Gegensatz zum Autofahren bin ich beim Radfahren im direkten Kontakt mit meiner Umwelt! Ich sehe Radfahrern, Passanten –Menschen die sich im Straßenraum bewegen. Blicke treffen sich, Menschen lächeln sich zu – interagieren und kommunizieren non-verbal. Ich bin immer ganz begeistert, wenn ich am Dernschen Gelände vorbei fahre und die Menschen in der Sonne  sehe, die die Frühlingstage genießen. Da mir regelrecht das Herz auf, denn das urbane Qualität, die wir ja ohne Zweifel in Wiesbaden auf einem sehr hohen Niveau haben.

Das Fahrrad bei der Wahl des passenden Verkehrsmittel in Wiesbaden eine untergeordnete Rolle. Knapp sechs Prozent der Wiesbadener sollen den letzten Erhebungen zufolge das Fahrrad verwenden.  Vor allem ältere Menschen…

… haben in jüngster Zeit etwas verpasst, denn sie saßen noch nicht auf einem Pedelec. Pedelecs sind traumhaft. Jeder (ältere) Mensch, der nicht mehr so häufig mit dem Rad unterwegs ist und war, die Gelegenheit nutzt auf ein Pedelec zu steigen, ist sofort begeistert und sagt, dass das ein Verkehrsmittel ist, dass er gerne häufiger nutzen möchte.

Sie können sich vorstellen mit Pedelecs die Verkehrswende anzustoßen, und Fahrradmuffel vom Fahrradfahren zu überzeugen?

Absolut, das macht richtig Spaß und ist  für alle Leistungsstufen geeignet. Jeder kann am Pedelec einstellen, wie stark ihm beim Radfahren geholfen werden soll. Auf einem Pedelec bewegt man sich aufrecht durch Wiesbadens Stadtlandschaft, die aus städtebaulicher Sicht eine sehr hohe Qualität besitzt. Wenn sie entlang der Wilhelmstraße auf dem Radweg unterwegs sind, erleben sie wunderbare Fassaden –fahren sie vorbei an Grünanlagen, an historischen Gebäuden wie der Villa Clementine, passieren das Staatstheater, queren vielleicht das Bowling Green – das sind fantastische Stadträume, die sie jetzt im Frühling mit dem Fahrrad täglich erleben können – ganz anders als mit dem Auto.

Das klingt überzeugend. Viele Bürger fühlen sich in Wiesbaden allerdings unsicher. Was ist dran? Wie sicher fühlen Sie sich in Wiesbaden als Radfahrer?

Inzwischen fühle ich mich sehr sicher. Das war nicht immer si. Dich gerade in den letzten Monaten habe ich das Gefühl, dass viele Autofahrer Radfahrer akzeptieren. Das Miteinander im Straßenverkehr ist deutlich besser geworden – hat aber auch noch Luft nach oben.

Verkehrswandel, Mobilitätswandel sind en Vogue?

Auf jeden Fall. Es ist festzustellen, das Autofahrer in der Stadt deutlich mehr mit Fahrradfahrern rechnen. als noch vor zwei Jahren . Die Akzeptanz der Fahrradfahrer und das Verständnis der Autofahrer – das Miteinander hat sich positiv entwickelt.  Beide haben dazu gelernt und wissen: Am Ende des Tages zählt, dass beide sich respektieren und akzeptieren. Bis es soweit ist, dauert es aber noch.

Letzten Dienstag, 9. April, wurde der aktuelle Klimaindex veröffentlicht. Auch wenn Wiesbaden bei den Städten mit 200.000 bis 500.000 Einwohnern erneut die rote Laterne festhält, ein Trend nach oben ist zu erkennen. Positiv wird unter anderem das Angebot der Leihfahrräder bewertet. Ebenso gut soll das mitnehmen von Fahrrädern im Öffentlichen Nahverkehr funktionieren.

In der Tat. Die Kombination zwischen Schiene und Rad ist grandios. Wir haben auf allen Linien rund um Wiesbaden – Linie 10 in den Rheingau oder nach Frankfurt, die Ländchens-Bahn nach Niedernhausen oder die S-Bahn nach Mainz, Frankfurt, Kastel deutlich mehr Fahrradmitnahmemöglichkeiten als in der Vergangenheit. Das hat den Vorteil, dass ich von Zuhause  zum Bahnhof radeln, für die ungemütlich langen Strecken die Bahn verwenden und dann vom Hauptbahnhof in Wiesbaden mit dem Fahrrad einfach in die Innenstadt reinfahren kann und nicht erst auf den Bus warten muss.

Andreas Kowol und sein Lastenfahrrad

Andreas Kowol und sein Lastenfahrrad ©2018 Volker Watschounek

Positiv wird auch erwähnt, dass in Wiesbaden zahlreiche Einbahnstraßen für Fahrradfahrer in entgegengesetzte Fahrtrichtung zu verwenden sind.

Das ist klasse. Man schaut als Radfahrer zwar ab und zu in ein paar entsetzte Augen von Autofahrern, aber wenn man als Autofahrer die Geschwindigkeit reduziert funktioniert das im Begegnungsfall wunderbar.

Negativ fällt dagegen auf, dass die Radwege in Wiesbaden zu schmal seien oder auch, dass zu wenig Falschparkerkontrollen stattfänden.

Die schmalen Radwege sind der Vergangenheit geschuldet. Deshalb ist auch der Abstand zu parkenden Autos nicht wirklich ausreichend – und das zu ändern ist richtig schwer. Was die Falschparker betrifft, so hat die Stadt die kommunale Verkehrspolizei in den vergangenen Monaten extrem aufgestockt. Ende 2018 haben wir eine gute Mannschaftsstärke erreicht, sodass wir viel stärker kontrollieren werden.

Wiesbadner Fahrradfahrer beklagen sich auch darüber, dass gerade im Berteich von Baustellen zu wenig an sie gedacht werde. Werden Radfahrer bej Baustellen schlichtweg vergessen?

Vergessen, dass ist so nicht richtig. Sicher gibt es Baustellen, wo aufgrund der Zwänge ein sehr enger Straßenraum bewältigt werden muss – und da denken Verkehrsplaner zuerst an den fließenden KfZ Verkehr. Bei Hauptverkehrsstraßen ist das naheliegend  – und so kommt der Radverkehr leider auch in Wiesbaden ein wenig unter die Räder. Damit das künftig seltener geschieht, möchten wir hier ein stärkeres Augenmerk drauf legen und alternative Strecken für Radfahrer anbieten. Das macht auch Sinn. Wir haben ja auch vorgeschlagen Nebenstraßen stärker in den Fokus zu rücken. So prüfen wir gerade, welche Straßen sich besonders eignen – und wie wir diese mit einfachen Mitteln optimieren können.

Den Rat hat uns auch der Verkehrswissenschaftler Professor Monheim gegeben. Seine Empfehlung ist es, die Nebenstraßen unter die Lupe zu nehmen. an. Da gäbe es ein enorm großes Potenzial, so Monheim. Folglich werden wir parallel dazu, dass wir Millionen in das Wiesbadener Radwegenetz investieren – auch Geld in die Hand nehmen um in Wiesbaden Nebenstraßen für den Radverkehr attraktiver zu gestalten.

Wann haben sie sich das letzte Mal bei  Fahrradfahren geärgert?

So richtig ärgere ich mich nur dann, wenn der Radweg zugeparkt ist und das ist leider ständig der Fall. Warum muss der Paketdienst oder der, der gerade seinen  Kontoauszug holt, auf dem Radweg halten und den Radfahrer dazu zwingen auf die Fahrbahn auszuweichen. Wir Radfahrer keinen Spurhalteassistenten, keinen Totwinkelassistenten und auch keine Notbremseigenschaft um eine Kollusion zu vermeiden. Für Radfahrer ist jedes Manöver in den fließenden Straßenverkehr ein Wagnis.

Gefährlichkeit im Straßenverkehr gesprochen. Der Fahrradfahrer gefährdet in erster Linie sich selbst, der Autofahrer im Vergleich dazu andere…

Ja, mit zwei Tonnen Blech um sich herum ist  er gut geschützt. Der Radfahrer als einspuriges Fahrzeug ist da immer gefährdeter. Wenn er umkippt, irgendwo drauf fährt – es geht immer direkt um seine Haut.

Thema Helmpflicht, wie sieht ihre Meinung dazu aus?

Keine Helmpflicht, weil es den Widerstand erhöht ein Fahrrad zu benutzen. Auf einer ganz kurzen Distanz verzichte ich auch schon mal auf den Helm – etwa um Brötchen zu holen. Auf normalen Distanzen setze ich aber schon immer einen Helm auf. Auch um als Vorbild zu wirken aber vor allem aus Sicherheitsgründen.

Abschließend ein Blick in die Zukunft. Wie gestaltet sich Rad fahren in Wiesbaden in fünf Jahren? Was kommt als Nächstes?

Wir müssen noch viel mehr Abstellmöglichkeiten für Fahrräder schaffen, insbesondere an den Hot Spots in der Innenstadt. wo die Radabstellanlagen schon heute überlastet sind. Da sind wir auch schon ständig am Nachrüsten. Was mir außerdem wichtig iust, sind sichere Abstellmöglichkeiten. Das reine Anschließen von treueren Rädern oder Pedelcs ist aktuell schon mit einem großen Risiko verbunden. Hier würde ich gerne Fahrradboxen anbieten oder regelrechte Fahrradparkhäuser.
Was ebenso auf meiner Wunschliste steht ist, mehr Familien, mehr Erwachsene und mehr Kinder überhaupt zum Rad fahren zu bewegen. Das man das Erlebnis in einer Stadt wie Wiesbaden weiter zunimmt. Das viele Menschen das Fahrrad als ihr Verkehrsmittel für die Innenstadt benutzen.

Das wünschen wir uns auch. Ich selbst werde im Rahmen des Programms „Radfahren neu entdecken“ die nächsten Wochen mein Auto gegen ein Pedelec tauschen. Vielleicht sehen wir uns ja auf einem der vielen Radwege in der Stadt. Danke für das Gespräch.

 

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Volker Watschounek lebt und arbeitet als freier Fotograf und Journalist in Wiesbaden. SEO und SEO-gerechtes Schreiben gehören zu seinem Portfolio. Mit Search Engine Marketing kennt er sich aus. Und mit Tinte ist er vertraut, wie mit Bits und Bytes. Als Redakteur und Fotograf bedient er Online-Medien, Zeitungen, Magazine und Fachmagazine. Auch immer mehr Firmen wissen sein Know-how zu schätzen.