Erinnerung lebendig halten – das sollen Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig deutschlandweit sowie in Wiesbaden. Damit sie nicht verblass(t)en!
Sie sind vielleicht auch schon einmal über einen dieser glänzenden Steine „gestolpert“. Als sogenannten Stolpersteine erinnern diese kleinen Mahnmale an die Menschen, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Auf der Messing-Oberseite der Steine sind ihre Namen mit Geburtsdatum und Sterbedatum mit Informationen zum Verbleib und Schicksal der Verfolgten nachzulesen. Damit die Daten nicht verblassen und das Erinnern nicht in Vergessenheit gerät, haben sich am Mittwochnachmittag Engagierte vom Wiesbadener internationalen Frauen Begegnungs- und Beratungzentrum e. V., kurz wif, sich auf den Weg , einen Teil der Wiesbadener Stolpersteine zu putzen.
„Wir haben heute viele Geschichten wieder ins Licht gebracht. Diese Erinnerung ist fundamental für die Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft, damit sowas Schreckliches nicht wieder passiert.“ – Tatiana Vilgelmi
Mitgemacht haben 17 Engagierte aus dem wif Projekt amine- aktiv mitwirken & netzwerken. Begleitet wurden sie von Elisabeth Lutz-Kopp vom Aktiven Museum Spiegelgasse. In gut zweieinhalb Stunden wurden während der Aktion 23 Stolpersteine gründlich gereinigt, nicht ohne mehr über die Hintergründe der Einzelschicksale zu erfahren. Lutz-Kopp hatte zu jedem Stolperstein die passende Geschichte dabei: zwölf Geschichten zu 23 Einzelschicksalen Wiesbadener Bürger in der zeit von 1933 bis 1945. Menschen, die von Nationalsozialisten verfolgt wurden. Geschichten, die niemals vergessen und niemals wiederholt werden dürfen. Die Stolpersteine von Abraham Friedmann, Judith Friedmann, Hilde Friedmann, Beatrix Friedmann und Judith Friedmann und allen anderen glänzen wieder, die Erinnerung wird wacherhalten.
Auszug aus der Liste
Adresse | Name | Verlegedatum | Anmerkung |
Bahnhofstraße 1 | Oskar Braun | 6. Okt. 2016 | Oskar Braun kam nach dem 1. Weltkrieg nach Deutschland, lebte in Düsseldorf und war staatenlos. Seit 1921 war er Teilhaber der Rheinischen Wollwarenfabrik, einer im Handelsregister von Wiesbaden eingetragenen Firma, und wurde 1924 deren alleiniger Inhaber. Die Führung einer produzierenden Fabrik wird indes im Verlauf der Wirtschaftskrise immer schwieriger, so dass er mehr und mehr auf den Bereich der Wäschevertretung angewiesen ist und sein Einkommen in den Jahren nach 1933 erheblich abnimmt. Dabei werden auch die Boykottmaßnahmen der Nazis eine Rolle gespielt haben.[1] |
Luisenstraße 47 | Henriette Ackermann geb. Marx | 8. Aug. 2007 | Als Mutter von acht Kindern musste die Jüdin Ackermann während der nationalsozialistischen Diktatur selbst ohnmächtig zuschauen, wie ihre Familie immer weiterauseinander gerissen und teilweise vernichtet wurde. Anderen wiederum gelang die Flucht, doch auch hier bestand aufgrund der politischen Verhältnisse und wegen der Kriegswirren kaum mehr Kontakt.[2] |
Martha Holzmann, geb. Ackermann | |||
Adolf Stern | |||
Hedwig Stern geb. Mann | |||
Constanze Trum geb. Mann | |||
Mauergasse 19 | Clotilde Adler | 8. Apr. 2014 | |
Mathilde Simon geb. Wolf | Die Simons[3] betrieben in der Mauergasse 19 eine Bäckerei. Das Haus, in dem sie zusammen mit Mathildes lediger Schwester Rebecka Wolff auch wohnten, gehörte Wilhelm Simon. | ||
Wilhelm Simon | |||
Rebecka Wolff | |||
Taunusstraße 6 | Kurt-Jakob Amson | 5. Mai 2010 | Aufgrund einer angeborenen körperlichen und geistigen Behinderung war Kurt-Jakob Amson schon früh auf institutionelle Heimpflege und Betreuung angewiesen[4] |
Rolf Amson | Sein Bruder Rolf Amson war ebenfalls behindert und lebte seit seinem 9. Lebensjahr auch im „Heilerziehungsheim Calmenhof“ in Idstein | ||
Bahnhofstraße 46 | Emma August geb. Weil | 14. Apr. 2014 | |
Lea Emilie Nussbaum | |||
Maximilian Nussbaum | |||
Hedwig Strauss, geb. Rödelheimer | Das Ehepaar Strauß[5] führte eine Weingroßhandlung in der Nikolasstraße 28, heute Bahnhofstraße 46, die sehr gut lief. Sie besaßen eigene Weinberge in Geisenheim. Weinlieferungen wurden deutschlandweit abgewickelt. | ||
Sebald Strauss | |||
Kirchgasse 29 | Helene Schwarz, geb. Birnzweig | 1. Juni 2016 | |
Rudolf Schwarz | |||
Kirchgasse 52 | Hilde Agnes Bachmann, geb. Cahen | 8. Apr. 2014 | Zur Erinnerung an Sophie Cahen, geb. Kleeberg, und ihre Tochter Hilde Agnes Bachmann[6] |
Sophie Cahen, geb. Kleeberg | |||
Adelheidstraße 18 | Elise Baer, geb. Herz | 30. Juni 2009 | Von 1933 bis 1936 lebte Elise Baer in der Adelheidstraße 18 im Erdgeschoss. Sie wurde finanziell von ihrer Tochter Anna unterstützt. Im Testament ihres Schwiegersohnes, der wegen der nationalsozialistischen Repressalien Selbstmord beging, ist zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes von Elise Baer ein monatlicher Betrag von 200 RM ausgewiesen. Ihre Tochter Anna war schon im März 1942 von Mainz nach Lublin deportiert worden, ihr Schwiegersohn hatte sich 1939 das Leben genommen. Von ihm hatte Elise Baer eine Kapsel Zyankali erhalten. Nachdem sie den Bescheid mit dem Datum ihrer Deportation erhalten hatte, räumte sie am 25. August 1942 ihre Wohnung auf, richtete sich ordentlich her, legte sich auf das gemachte Bett und nahm das Gift ein.[7] |
Ellenbogengasse 11 | Julie Baum, geb. Schloss | 19. Apr. 2016 | Erinnerungsblatt an Julie Baum und ihre Schwester Klara Dreifuss[8] |
Klara Dreifuss, geb. Schloss | |||
Mauergasse 8 | Karl Baum | 22. Jan. 2009 | Karl Baum[10] war Inhaber einer alteingesessenen Metzgerei in der Schulgasse 2 in Wiesbaden, wo sich auch die Wohnung befand. Zeugen bestätigen, dass das Geschäft bis 1932 gut lief. |
Leo Baum | |||
Toni Baum, geb. Bierig | |||
Herrngartenstraße 11 | Regina Beck, geb. Sichel | 2. Mai 2013 | Regina Beck war Eigentümerin des Hauses Herrngartenstraße 11. Da sie keinen Beruf und somit kein Einkommen durch Arbeit hatte, vermietete sie in ihrem Haus Wohnungen an zwei jüdische Parteien im Vorderhaus und drei sogenannte arische Parteien im Hinterhaus. Am 12. Februar 1940 musste sie dann eine Sicherungsanordnung für ihr Konto unterschreiben; damit war es gesperrt und ihr Vermögen für sie nicht mehr verfügbar. 1942 – sie war schon 72 Jahre alt – wurde sie noch als arbeitsfähig eingestuft. Regina Beck wurde nicht verhaftet und nach Theresienstadt deportiert, weil sie sich wenige Tage zuvor, am 28. August 1942, das Leben nahm. Einige ihrer Geschwister und deren Kinder überlebten den Holocaust. Von ihnen wurde am 12. Oktober 1949 ein Entschädigungsantrag gestellt. Sie erhielten insgesamt 10.000 Mark Entschädigung.[12] |
Röderstraße 26 | Rosa Borger, geb. Melamet | 24. Okt. 2019 | Erinnerungsblätter an Rosa Borger geb. Melamet und ihren Sohn Oskar David[13] |
Oskar Borger |
Foto oben ©2023 wif
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