Vier Reservisten, stellvertretend für ihre Truppen, haben am Freitagabend in der Brita Arena Ihr Gelöbnis abgelegt, der Deutschen Bundeswehr zu dienen und das Volk zu verteidigen.
Die Reserve. Ganz neu ist das Konzept nicht. Die Bundeswehr bildet vermehrt Zivilisten zu Reservisten. Mit dem Projekt Ungediente für die Reserve verfolgt sie das Ziel, den Beorderungsstand in den regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien zu steigern. Sie, das sind im Rahmen des Projekts Bundeswehr und Reservistenverband zusammen. Hatte einst die Bundeswehr die Federführung inne, war der Reservistenverband bei der Ausbildung der Rekruten, die am Freitagabend in der Brita-Arena in Wiesbaden ihr Gelöbnis im Rahmen eines feierlichen Appells abgelegt hatten, verantwortlich.
Unter den Augen des Hessischen Ministerpräsident Volker Bouffier, Brigadegeneral Olaf von Roeder, Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr und Familienmitgliedern sowie Gästen haben die Soldaten in der Britta-Arena am Freitagabend gelobt der Budeswehr Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Begleitet wurde der Festakt musikalisch durch das Heeresmusikorps Kassel.
Grußwort der Stadt Wiesbaden
von Dr. Gerhard Obermayr
Im Namen der Landeshauptstadt Wiesbaden möchte ich Sie in der Brita-Arena willkommen heißen. Mein ganz besonderer Gruß gilt natürlich denjenigen, die heute im Mittelpunkt stehen – den Freiwilligen, die heute ihre Treue zu Staat und Verfassung geloben. Seien Sie herzlich will-kommen! Mit dem Konzept, Ungediente zu Reservisten auszubilden, soll der Bedarf an Spezialisten in bestimmten Einheiten der Bundeswehr gedeckt werden. Dieser Bedarf ist Folge neuer Aufgaben und Ausrichtungen der Bundeswehr, die dazu führen, dass ein signifikanter Mangel an Soldaten festzustellen ist, die befähigt und vor allem bereit sind, sich freiwillig in der Reserve zu engagieren. Die Reservisten, die heute ihr Gelöbnis ablegen, leisten hier einen außerordentlich wertvollen Beitrag. Denn sie bringen all ihre Qualifikationen, Fähigkeiten und Kenntnisse, die sie im zivilen Leben erworben haben, in die Streitkräfte ein.
Reservistenausbildung
Das Problem, Fachkräfte zu gewinnen, ist ja nicht neu. Wir kennen es aus vielen verschiedenen Bereichen unserer Wirtschaft. Auch vor der Bundeswehr macht das nicht halt. Aber bei der Reservistenausbildung geht es nicht nur um eine Reaktion auf den fast überall spürbaren Fachkräftemangel – sondern hier geht es um viel mehr: Durch die Ausbildung ungedienter Freiwilliger zeigt sich deutlich, dass unsere Streitkräfte in der Gesellschaft verankert sein wollen. Die Bundeswehr, die sich als Parlamentsarmee versteht, führt kein abgeschottetes Eigenleben, sondern ist eng mit der Gesellschaft verzahnt. Ich finde, dieses Konzept der Reservistenausbildung ist eine markante Ausprägung des Staatsbürgers in Uniform. Hoffentlich wird es auch in den kommenden Jahren fortgeführt.
Veränderung
Die Welt um uns herum ist eine Welt im Wandel. Das Ende des Kalten Krieges, in dem sich zwei Blöcke gegenüberstanden, und der Aufstieg neuer Mächte wie China haben sich auch auf die globale Sicherheitslage ausgewirkt. Hinzu kommen Gefährdungen durch internationalen, vielfach religiös motivierten Terrorismus, durch hybride Angriffsformen und nicht zuletzt durch bewaffnete Konflikte, die Flüchtlingsbewegungen mit Wirkung auf Deutschland und Europa verursachen. Auch das Aussetzen der Wehrpflicht vor zehn Jahren führte zu einschneidenden Veränderungen in der Truppe.
Paradigmenwechsel
Mit all dem musste die Bundeswehr zurechtkommen. Sie als reine Verteidigungsarmee zu verstehen, greift seit der Wiedervereinigung zu kurz. Vielmehr ist sie eingebunden in ein System kollektiver Sicherheit, was letztlich zur Konsequenz hatte, dass sie auch außerhalb der deutschen Grenzen eingesetzt wurde. Sogar am Hindukusch sollte sie unsere Sicherheit verteidigen. Diese globalen Aktivitäten wurden jedoch nach dem keineswegs problemlosen Abzug aus Afghanistan von vielen Entscheidungsträgern deutlich in Frage gestellt, und das nicht nur in unserem Land. Ein Paradigmenwechsel deutet sich an.
Demokratische Werte
Die westlichen Staaten müssen kritisch hinterfragen, ob es wirklich das Ziel sein kann, ihre demokratischen Werte zu exportieren, indem sie versuchen, in anderen Staaten einen Regimewechsel herbeizuführen – zumal unter Einsatz von Waffen. Sicherlich – das ist ein weites, komplexes und schwieriges Feld. Und selbstverständlich muss man alle zivilen Möglichkeiten, welche die Diplomatie bietet, nachdrücklich einsetzen. Aber wer dem internationalen Terrorismus glaubhaft die Stirn bieten will, der braucht offenbar auch robuste Optionen. Al Quaida ließ sich ja nicht am Verhandlungstisch bekämpfen.
Es ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben der Zukunft, hier eine angemessene und zielführende Antwort zu finden. Unsere Bundeswehr wird dabei ihre Rolle in der internationalen Staatengemeinschaft immer wi-der neu finden müssen.
Neue Aufgaben
Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, um allen, die für unser Land daran mitarbeiten, meinen Respekt und meinen Dank auszudrücken. Und Sie, verehrte Reservisten, sind ein Teil davon. Durch Ihren freiwilligen Einsatz helfen Sie mit, diese komplexen Heraus-forderungen zu bewältigen. Besonders Ihnen gilt heute, am Tag Ihres Gelöbnisses, unser Dank.
Sie unterstützen die Bundeswehr auch bei den zahlreichen anderen Aufgaben, die sie für unser Land übernimmt. Zuerst fallen mir die Soldaten ein, die während der Corona-Pandemie eingesetzt wurden. Mehr als 15000 waren es, viele davon auch bei uns in Wiesbaden. Das städtische Gesundheitsamt, das Impfzentrum und viele andere Stellen waren froh, dass sie sich auf die Unterstützung durch die Bundeswehr verlassen konnten. Im Namen der Wiesbadener Bevölkerung möchte ich Ihnen hierfür sehr herzlich danken.
Katastrophenschutz und Krisensituationen
Auch im Katastrophenschutz und bei Krisensituationen im Inland hilft die Bundeswehr, so wie jüngst bei der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Hier brauchen wir die Reservistinnen und Reservisten, die ihre Kompetenz und Verantwortungsbereitschaft mitbringen, ebenfalls. Sie leisten Seite an Seite mit aktiven Soldatinnen und Soldaten, aber auch in Zusammenarbeit mit zivilen Organisationen wie etwa dem Technischen Hilfswerk oder dem Roten Kreuz einen wert-vollen Dienst für die Allgemeinheit.
Dafür opfern die Sie Freizeit und Urlaub. Das ist ein starkes Signal in einer Zeit, die geprägt zu sein scheint von Individualismus und Eigensinn. Und das ist keinesfalls altmodisch, sondern es bedeutet, sich mit Über-zeugung für das Gemeinwohl einzusetzen.
66. Geburtstag der Bundeswehr
Am heutigen 66. Geburtstag der Bundeswehr dürfen wir konstatieren, dass die Truppe ihre Daseinsberechtigung längst eindrucksvoll belegt hat. Mit Recht darf sie, zumal als Parlamentsarmee, den grundsätzlichen Rückhalt von Politik und Gesellschaft einfordern.
Die Bundeswehr ist ein notwendiger Baustein einer europäischen Sicherheitsarchitektur. Die Mitgliedstaaten der EU haben in den vergangenen Jahren Strukturen geschaffen, um ihre Außen- und Sicherheitspolitik zu harmonisieren und gemeinsame Einsätze zur Konfliktverhütung und Stabilisierung realisieren zu können. Damit hat sich die EU als verantwortungsbewusster Sicherheitsakteur etabliert. Ich denke, dass diese Entwicklung ohne die konstruktive Mitarbeit unserer Bundeswehr so nicht möglich gewesen wäre. Ihr Platz ist und bleibt in einem vereinten Europa. Nur so kann ein friedliches und freies Europa erhalten bleiben. Als Deutsche und als Unionsbürgerinnen und -bürger sollten wir stolz, ja zu-mindest froh und dankbar sein, dass wir hier leben dürfen.
Sehr geehrte Reservistinnen und Reservisten: Für all das stehen Sie durch Ihr heutiges Gelöbnis in besonderer Weise ein. Sie streiten für Deutschland und Europa, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für un-sere Werte und unsere Zukunft. Das alles hat Ihren Einsatz verdient und ist Ihren Einsatz wert.
Impressionen vom Gelöbnis
Fotos ©2021 Volker Watschounek
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Die Internetseite der Reserve und ein spezielles Magazin finden Sie unter www.reservistenverband.de.
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