Tag der Handschrift: Beim Schülerschreibwettbewerb der Stiftung Handschrift zeigen junge Hessen, warum das Schreiben mit der Hand nichts von seiner Kraft verloren hat.
Ein Windhauch wird zum Reisegefährten, ein Mädchen pflanzt Erinnerungen – und ein Baum erzählt von einem Leben. Was nach einem poetischesn Märchen klingt, ist der Anfang eines der 100 prämierten Briefe, die hessische Schüler im Rahmen des 7. Schülerschreibwettbewerbs der Stiftung Handschrift verfasst haben. Aus rund 9500 Einsendungen wählte eine Jury die eindrucksvollsten Texte aus. Beim Festakt im Museum Wiesbaden wurden die jungen Autoren am vergangenen Freitag, 16. Mai, am selbst ernannten Tag der Handschrift, geehrt –. Das Datum war gesetzt, – das Tag der Handschrift. In einer Zeit, in der Tippen zur Norm geworden ist, war die Preisverleihung gleichwohl ein Plädoyer für das Schreiben mit der Hand.
Tag der Handschrift: Abenteuer auf Papier
Die Aufgabe: ein handgeschriebener Brief zum Thema „Abenteuer“. Die Antwort der tausenden Einsender: eine kreative Welle aus Magie, Mut und Menschlichkeit. Kinder der 6. und 7. Klassen beschrieben Expeditionen durch Drachenreiche, Sprünge durch Zeitportale, aber auch sehr persönliche Gedanken über Ängste, Freundschaft und Träume. Einige reimten, andere experimentierten mit Erzählformen –. So unterschiedlich die Texte und Briefe auch sind, sie alle vereint, dass sie mit der Hand geschrieben sind.
Die besten der 9.500 Beiträge wurden in einem aufwendig gestalteten Buch zusammengefasst und verlegt. Drei der jungen Schreibenden lasen ihre Texte beim Festakt live vor, darunter die poetische Erzählung eines Baumes über sein Leben an der Seite eines Mädchens. Die Worte rührten das Publikum – Eltern, Lehrkräfte, Minister und Stiftungsmitglieder – ebenso wie der Appell, der durch die Veranstaltung wehte: Handschrift ist mehr als Technik. Sie ist Ausdruck, Erkenntnis, Erinnerung.
Ein Kultusminister für die Handschrift
Hessens Kultusminister Armin Schwarz betonte die bildungsrelevante Dimension des Schreibens mit der Hand. „Handschrift stärkt das Textverständnis, die Merkfähigkeit, das strukturierte Denken. Sie schafft Voraussetzungen für schulischen Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe“, sagte Schwarz. Auch Christian Boehringer, Vorsitzender des Stiftungsrats, warnte davor, die Bedeutung der Handschrift zu unterschätzen: „Wer flüssig mit der Hand schreiben kann, lernt besser. Und wer besser lernt, kann besser gestalten.“
Der Geschäftsführer der Stiftung Handschrift, Raoul Kroehl, verwies auf die überraschende Vielfalt und Qualität der Einsendungen – und auf die wachsende Resonanz im Land: Mehr als 40 Prozent aller hessischen Schulen nahmen teil. Besonders erfreulich: Viele Kinder hatten zum ersten Mal einen Brief verfasst – und machten so eine ganz neue Erfahrung mit Sprache, Papier und der eigenen Vorstellungskraft.
Fantasie braucht keinen Bildschirm
Gerade im digitalen Zeitalter gewinnt die Handschrift neue Relevanz. Sie entschleunigt, verankert Gedanken, fördert die Kreativität – das zeigten nicht nur die Briefe, sondern auch die Interviews mit den Schülern. Viele berichteten, dass sie sich beim handschriftlichen Schreiben besser konzentrieren und Inhalte nachhaltiger verarbeiten könnten. „Meine Gedanken fließen besser, wenn ich schreibe“, sagte eine Schülerin. Ein anderer ergänzte: „Ein Brief zeigt Persönlichkeit. Jeder hat seine eigene Handschrift – das macht es besonders.“
Tag der Handschrift
In einer Zeit, in der E-Mails, Kurznachrichten und Emojis den Alltag bestimmen, besinnt sich Wiesbaden jedes Jahr auf eine fast vergessene Kulturtechnik: das Schreiben mit der Hand. Der Tag der Handschrift, der in der hessischen Landeshauptstadt inzwischen fest verankert ist, will nicht nur zum Schönschreiben anregen – er ist ein Plädoyer für Entschleunigung, Kreativität und Persönlichkeit. Seinen Ursprung hat der Tag in einer Bildungsinitiative der Stiftung Handschrift, die ihren Sitz in Wiesbaden hat. Seit 2014 ruft die Stiftung jedes Jahr Schüler der achten Jahrgangsstufe hessenweit dazu auf, handschriftliche Texte zu verfassen – oft zu einem vorgegebenen Thema. Die besten Beiträge werden prämiert, in Lesungen vorgestellt und in kleinen Anthologien veröffentlicht.
Auch aus Sicht der Lehrkräfte wirkt der Wettbewerb als wertvoller Impuls im Unterricht. Handschriftliches Schreiben bekommt Raum, bekommt Sinn – jenseits von Lineatur und Schönschrift-Diktat.
Zukunft mit Tinte und Herz
Im kommenden Jahr plant die Stiftung Handschrift, ihre Angebote weiter auszubauen – etwa durch Schreibwerkstätten für Grundschüler und Fortbildungsformate für Lehrkräfte. Bereits 2026 soll eine neue Schreibwerkstatt im Frankfurter Zoo stattfinden. Für viele Kinder wird auch das wieder ein Abenteuer.
Fest steht: Der Tag der Handschrift hat wieder einmal bewiesen: Schreiben mit der Hand kann nicht nur Erinnerungen bewahren, sondern auch neue Welten erschließen – Wort für Wort, Zeile für Zeile.
Bilder der Veranstaltung sehen Sie hier in der Bildergalerie.
Foto ©2025 Paul Müller
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