Zwischen Fundstücken und Farbe: Nevelsons Collagen erzählen Geschichten von New York bis Wiesbaden, erstmals museal in großer Vielfalt zu entdecken.
Das Museum Wiesbaden feiert 200 Jahre Kunstgeschichte und setzt zum Jubiläumsfinale ein kraftvolles Zeichen: „Louise Nevelson – Die Poesie des Suchens“ öffnet erstmals den Blick auf einen bisher wenig bekannten Teil des Werks der US-amerikanischen Bildhauerin – ihre Collagen. Vom 31. Oktober 2025 bis 15. März 2026 zeigt das Museum rund 70 Arbeiten aus einem Gesamtbestand von mindestens 400 Collagen, die zwischen den frühen 1950er-Jahren und kurz vor Nevelsons Tod 1988 entstanden sind. Ergänzt werden sie durch einige ihrer ikonischen Assemblagen, die die amerikanische Kunst der Nachkriegszeit entscheidend geprägt haben.
Museum Wiesbaden, kurz gefasst
Sonderausstellung – Die Poesie des Suchens,
55 Collagen und 12 Skulpturen aus dem Werk von Louise Nevelson im Giraffensaal
Datum: 31. Oktober 2025 bis 15. März 2026Vernissage: Donnerstag, 30. Oktober 2025 (Eintritt frei)
Öffnungszeiten: 10:00 bis 17:00 Uhr, donnerstags bis 21:00 Uhr und montags geschlossen
Wo: Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur (Museums Wiesbaden), Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden
Eintritt: Erwachsene 4,00 Euro / Kinder-Jugendliche frei
Kuratiert von Valerie Ucke, M.A., ist die Schau nicht nur ein künstlerischer Höhepunkt, sondern auch ein symbolischer Abschluss des Wiesbadener Jubiläumsprogramms. „Louise Nevelsons Collagen sind weit mehr als kleine Nebenwerke. Sie sind poetische Reflexionen über das Suchen und Finden – über das, was bleibt, wenn man die Dinge neu zusammensetzt,“ erklärt Ucke.
Von Brooklyn nach New York: Nevelsons künstlerischer Weg
Louise Nevelson, 1899 nahe Kiew geboren und in Brooklyn aufgewachsen, zählt zu den bedeutendsten Bildhauerinnen der amerikanischen Moderne. Nach Studienaufenthalten in München, Paris und Wien fand sie in New York zu ihrem unverwechselbaren Stil: monumentale Wandreliefs, freistehende Assemblagen und Objekte aus Fundstücken – schwarz, weiß oder golden gefasst.
Ihre Teilnahme an der Biennale von Venedig (1962) und an der documenta 3 und 4 in Kassel (1964, 1968) machte sie international bekannt. Doch während ihre Assemblagen längst Ikonen der Installationskunst sind, blieben ihre Collagen weitgehend unbeachtet.
Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden, unterstreicht die Bedeutung dieser Schau: „Die Collagen zeigen eine Seite Nevelsons, die bislang im Schatten ihrer großen Werke stand. Sie offenbaren die Sensibilität, mit der sie Materialien sammelte, neu arrangierte und daraus poetische Kunstwerke formte.“
Collagen erstmals in dieser Vielfalt
Erstmals widmet sich ein Museum in Deutschland ausschließlich Louise Nevelsons Collagen. Rund 70 Arbeiten aus mindestens 400 werden präsentiert – eine Vielfalt, die bisher nie gezeigt wurde. Die Werke entstanden über fast vier Jahrzehnte hinweg und spiegeln das ganze Spektrum ihrer künstlerischen Entwicklung.
Nevelson sammelte, was andere wegwarfen: Kartons, Holzreste, Zeitungsschnipsel, Verpackungen, Papierfragmente. Daraus schuf sie visuelle Gedichte, die – wie ihre Assemblagen – von Rhythmus, Struktur und Balance leben. Die Ausstellung ist in fünf thematische Bereiche gegliedert: Gesprühte Poesie, Die Suche nach dem Alltäglichen, Vom Suchen und Finden, Das fortwährende Entdecken sowie Die Suche nach Struktur und Ordnung.
Die Werke sind nicht chronologisch, sondern nach formalen, materiellen und ästhetischen Gesichtspunkten arrangiert. Dadurch entstehen neue Dialoge zwischen den Collagen und den bekannten Reliefs – und ein faszinierendes Gesamtbild einer Künstlerin, die „aus dem Alltäglichen das Außergewöhnliche formte“.
Fundstücke, Farbe und poetische Ordnung
Nevelsons Arbeitsweise lässt sich als eine frühe Form des Upcyclings verstehen. Sie sammelte objets trouvés, achtlos Weggeworfenes aus den Straßen New Yorks, und verwandelte sie in poetische Kompositionen. „Wenn eine Stadt über die Jahre entsteht, wird sie eine Collage von Zeit und Raum. New York City ist die größte Collage der Welt,“ sagte Nevelson einmal.
Ihre Collagen zeigen diese Haltung im Kleinen: Wiederkehrende Formen, geschichtete Materialien und überraschende Farbakzente verwandeln das Alltägliche in Kunst. Kreise, Quadrate und Linien rhythmisieren die Flächen, während Schatten und Tiefe die Werke fast skulptural wirken lassen. Viele Arbeiten wirken wie intime Gegenstücke zu ihren monumentalen Assemblagen – zart, experimentell und voller Poesie.
Das Material Holz – eine biografische Konstante
Dieses Prinzip des Suchens und Wiederverwendens wurzelt auch tief in Nevelsons Biografie. „Ich finde etwas auf der Straße oder in meinem eigenen Haushalt, etwas, das ich eigentlich nicht mehr gebrauchen kann – und mache daraus etwas Neues,“ beschrieb sie selbst ihre künstlerische Energie. Das Material Holz spielte dabei eine zentrale Rolle.
Zum einen, weil es in der Großstadt buchstäblich auf der Straße lag und sich ideal zum Sammeln und Weiterverarbeiten eignete. Zum anderen hatte Holz in ihrer Familie eine starke, persönliche Bedeutung: Schon ihr Großvater im damaligen Russischen Reich arbeitete in der Holzverarbeitung, ebenso ihr Vater, nachdem er in die USA ausgewandert war. Louise Nevelson wuchs also in einer Umgebung auf, in der Holz allgegenwärtig war – als Werkstoff, als Lebensgrundlage, als Geruch. Diese frühe Prägung machte das Material später zu ihrem künstlerischen Markenzeichen und emotionalen Resonanzraum.

Interaktive Vermittlung und digitale Zugänge
Das Museum Wiesbaden begleitet die Ausstellung mit einem innovativen Vermittlungskonzept. Ein interaktiver Medientisch führt in Leben und Werk der Künstlerin ein und erlaubt Besucherinnen und Besuchern, Hintergründe, Techniken und Materialentscheidungen zu erkunden.
Darüber hinaus haben Studierende der Hochschule für Modedesign Nevelsons Collagen digital interpretiert. Ihre Arbeiten werden in einer digitalen Modeschau zur Finissage präsentiert – eine Hommage an Nevelsons kreative Freiheit und ihren Sinn für Form und Rhythmus.
Ein eigens entwickeltes Kartensystem erklärt Begriffe wie „Collage“, „Assemblage“ und „Relief“ auf anschauliche Weise. Besucher können die Karten sammeln, ordnen und erweitern – ganz im Sinne der Künstlerin, deren Denken selbst wie eine Collage funktionierte. Begleitend zur Ausstellung erscheint eine Media-Tour in der MuWi-App sowie ein umfassender Katalog im Hirmer Verlag (160 Seiten, herausgegeben von Valerie Ucke, 34 €, ISBN 978-3-7774-4647-9).
Jubiläumsausstellung mit internationaler Bedeutung
35 Jahre nach der letzten Nevelson-Präsentation in Wiesbaden knüpft das Museum an eine lange Tradition an. Die Schau bildet zugleich den Abschluss des 200-jährigen Jubiläumsprogramms und markiert einen neuen Blick auf eine der prägendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts.
Dr. Henning betont: „Die Collagen waren lange Zeit ein wenig bekannter Teil ihres Oeuvres. Jetzt können wir Besuchern die Möglichkeit geben, diese intime, experimentelle Seite Nevelsons zu entdecken.“
Bild – Blick in die Ausstellung ©2025 Volker Watschounek / Wiesbaden Lebt!
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Die Internetseite des Seniorenbeirats finden Sie unter www.wiesbaden.de.




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