Im Klassenzimmer beginnt Integration: Kinder lernen, Eltern finden Halt, die Stadt baut Brücken. Wiesbaden zeigt im Bildungsbericht 2025, was zählt.
Migration prägt den öffentlichen Diskurs, nicht selten begleitet von Sorgen und Vorurteilen. Wiesbaden antwortet darauf mit einem klaren Signal: Bildung soll Türen öffnen, Chancen schaffen und Integration ermöglichen. Der neue Bildungsbericht 2025 widmet sich deshalb der Frage, wie geflüchtete Menschen ihren Platz in der Gesellschaft finden – und welche Rolle Kitas, Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen dabei spielen.
Bildung als Brücke
Schon 2020 hatte die Stadt erstmals einen Bildungsbericht vorgelegt, damals mit dem Schwerpunkt auf benachteiligte Gruppen. Nun richtet sich der Blick gezielt auf Menschen, die 2015 und 2016 nach Wiesbaden kamen – viele von ihnen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak. „Der aktuelle Bildungsbericht bietet einen Überblick über die Voraussetzungen von erfolgreicher Integration durch Bildung“, erklärt Integrationsdezernentin Milena Löbcke. „Er stellt aber auch die bestehenden Strukturen in Wiesbaden dar und zeigt auf, wo wir bereits gut aufgestellt sind und wo wir noch nachjustieren müssen.“
Damit geht es nicht nur um Statistiken, sondern um Lebenswege: um frühe Bildung in Kitas, um Sprachförderung, um Chancen auf Ausbildung und Studium – und um den langen Atem, den Integration braucht.
Kommunen am Limit – und im Mittelpunkt
Die Untersuchung verdeutlicht, wie zentral die Rolle der Kommune ist. Wiesbaden koordiniert Verwaltung, Schulen, Jobcenter, Vereine und Ehrenamtliche. Hier entscheidet sich, ob Integration gelingt. Sozialdezernentin Patricia Becher bringt es auf den Punkt: „Bildung entscheidet darüber, ob Integration gelingt. Mit dem neuen Bericht wollen wir aufzeigen, wo wir handeln müssen – und wo wir bereits auf einem guten Weg sind.“
Die Stadtverwaltung, so die Autorinnen, trägt Verantwortung für Strukturen, Beratung und Netzwerkarbeit. Zugleich mahnen die Verantwortlichen, dass ausreichende finanzielle Mittel unabdingbar seien, um den vielfältigen Aufgaben gerecht zu werden.
Sprache, Teilhabe, Sicherheit
Sprache gilt als Dreh- und Angelpunkt. Ohne Deutschkenntnisse bleibt der Zugang zu Schule, Beruf und gesellschaftlicher Teilhabe erschwert. Frühkindliche Bildung spielt dabei eine doppelte Rolle: Sie fördert nicht nur die Kinder, sondern erleichtert auch den Eltern den Weg. Studien zeigen, dass Kita-Besuche Integration beschleunigen und Familien Stabilität geben.
Auch Rechtssicherheit wirkt als Schlüsselfaktor: Wer eine stabile Bleibeperspektive hat, wagt Bildungs- und Berufswege. Wer jahrelang in Unsicherheit lebt, verliert Motivation.
„Bildung ist der Schlüssel für gutes Ankommen und ein selbstbestimmtes Leben in unserer Stadt“, betont Schuldezernent Dr. Hendrik Schmehl. „Integration beginnt nicht an einer Stelle und endet nicht an einer anderen, sondern ist eine gemeinsame Aufgabe von Kitas, Schulen, Ausbildungsbetrieben, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen.“
Bildungsarmut als Risiko
Der Bericht warnt zugleich vor den Folgen von Bildungsarmut. Wer keinen Abschluss erreicht, hat schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, lebt häufiger in Armut und leidet stärker unter gesundheitlichen Problemen. Gesellschaftlich bedeutet das: weniger Fachkräfte, wachsende Ungleichheit, gefährdete Sozialsysteme. In einer alternden Gesellschaft, die auf Zuwanderung angewiesen ist, wiegt dieser Befund doppelt schwer.
Kooperation als Erfolgsrezept
Deutlich wird: Integration gelingt nicht allein durch staatliche Vorgaben. Sie entsteht im Zusammenspiel – zwischen Verwaltung, Bildungseinrichtungen, Vereinen, Initiativen und Ehrenamtlichen. „Wichtig ist, dass Politik, Verwaltung, Bildungseinrichtungen und Stadtgesellschaft gemeinsam Verantwortung übernehmen, damit Teilhabe für alle gelingt“, sagt Sozialdezernentin Becher.
Der Bericht beschreibt zahlreiche Ansätze: Sprachcafés an Schulen, Mentoring-Projekte, Beratungsangebote und eine enge Verzahnung von Schule, Jugendhilfe und Jobcenter. All das wirkt nur, wenn es ineinandergreift – und wenn die Kommune die nötigen Mittel bekommt, um diese Arbeit dauerhaft zu sichern.
Sieben Lehren für die Zukunft
Zum Schluss zieht der Bericht klare Linien: Frühkindliche Bildung ausbauen, Sprache in allen Bildungsphasen fördern, individuelle Unterstützung sichern, gemeinsames Lernen statt Segregation stärken, Rechtssicherheit schaffen, Frauen und bildungsferne Gruppen gezielt fördern – und Kooperation vertiefen.
Fazit
Der Wiesbadener Bildungsbericht 2025 zeigt eindrücklich: Bildung ist mehr als Unterricht. Sie ist eine Brücke zur Gesellschaft, ein Motor für Zusammenhalt und eine Investition in die Zukunft. Integration durch Bildung ist kein Akt der Großzügigkeit, sondern ein Gebot der Vernunft – für die Geflüchteten, die hier ein neues Leben beginnen, und für die Stadt, die damit ihre eigene Zukunft gestaltet.
Symbolfoto Bildung ©2025 AI Volker Watschounek
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