Gefäße und großformatige Tongruben-Fotografien verschmelzen zu einem Bild im Bild von Handwerk, Geschichte und Landschaft.
Wer das Stadtmuseum am Markt dieser Tage betritt, tritt zugleich in zwei Welten: die eine aus Glas, Ton und Salzglasur, die andere aus Erde, Licht und Schatten. Überlebensgroße Fotografien von Eckhard Bartneck zeigen die Tongruben des Westerwaldes in monumentaler Nähe. Davor glänzen die Krüge, Flaschen und Grabkreuze, die aus eben dieser Erde geformt wurden. Bild im Bild: Objekte, die zugleich Zeugnisse ihrer eigenen Entstehung sind, ein doppelte Gegenwart von Natur und Kultur.
Stadtmuseum am Markt, kurz gefasst
Sonderausstellung – „Grau – Blau – Geritzt, Westerwälder Steinzeug
Wann: Mittwoch, 1. Oktober 2025 bis Sonntag, 1. März 2026
Eintritt: 6,00 / 4,0 Euro
Wo: Stadtmuseum am Markt, Dern’sches Gelände, 65183 Wiesbaden
Graublaues Gold: Alltag und Industriegeschichte
Das Westerwälder Steinzeug ist nicht nur Handwerk – es ist ein Spiegel einer Region. Seit dem Mittelalter werden hier graublau glasierte Krüge gefertigt, Gebrauchswaren, die Alltag, Handel und Export noch bis prägen. Man nannte sie „weißes Gold des Westerwaldes“: kühl, bruchfest und international begehrt. Die Ausstellung Grau – Blau -Geritzt – Westerwälder Steinzueg versammelt Objekte aus einst privaten Sammlungen wie der von Ernst Zais oder August Demin und spannt so einen Bogen vom 17. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert. Hier wird deutlich, wie eng handwerkliche Perfektion und wirtschaftliche Geschichte miteinander verwoben sind.
Herrscher, Heilige und Helden: Bildnisse auf Steinzeug
Figürliche Darstellungen auf den Krügen machen die Ausstellung zu einem kleinen Geschichtsbuch. Der Doppeladler als Zeichen politischer Macht, der Hirsch als Symbol für Jagd und religiöse Imagination, Martin Luther in einer launigen Trinkszene, Queen Mary als Zeugnis internationaler Vernetzung – all diese Motive zeigen, wie Alltag, Religion, Politik und Repräsentation ineinandergreifen. Die Krüge sind nicht bloß Gefäße, sie sind Narrative, die Geschichte greifbar machen.
Die Landschaft als Ursprung
Bartnecks Fotografien setzen diese Objekte in ihren Ursprung. Risse, Schichtungen, Farbspiele der Tongruben wirken wie kosmische Karten, Mikrokosmos und Makrokosmos zugleich. Vor diesem Hintergrund leuchten die Salzglasurblauen Krüge, als hätten sie sich aus der Erde herausgeschält. Hier offenbart sich eine subtile Kritik: Der Blick auf die Landschaft erinnert an das Verborgene hinter Industrieproduktion, an die unsichtbaren Ressourcen, die Rohstoffe und Arbeitskraft, die in Alltagsobjekten stecken.
Bild im Bild: Gegenwart und Geschichte
So gesehe wird die Ausstellung selbst ein Gefäß, das Erinnerung und Identität birgt. Sie zeigt, dass Kulturgeschichte nicht nur in Texten, sondern in Objekten greifbar wird – dass wir oft erst hinschauen müssen, um die Geschichten zu erkennen, die unter der Oberfläche liegen. Westerwälder Steinzeug ist hier nicht nur Handwerk, sondern eine Philosophie der Zeit: Robust, funktional, schön – und immer verbunden mit Erde, Wasser, Feuer und menschlicher Arbeit.
Foto – Blick in die Ausstellung ©2025 Volker Watschounek
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