Am Nachmittag schob sich das erste Mal ein vollelektrischer Gelenkbus leise, aber kraftvoll durch Wiesbadens hügelige Straßenlandschaft. Es war ein Moment, der viele Monate Vorbereitung, technische Feinabstimmung und vor allem strategische Diskussionen auf einen Punkt brachte. Pressevertreter, Marion Hebding, Geschäftsführerin von ESWE Verkehr und Mitarbeitende begleiteten den Jungfernritt – mit sichtbarer Neugier und hörbarer Begeisterung.
Hersteller: Daimler Busses GmbH, Stuttgart Typ: eCitaro G Batterie: Hersteller: Akasol, Typ NMC 3Kapazität: 686 kWhLadedauer: von 0 – 100 % ca. 5 hAutomatische Vorkonditionierung über das Last- und Lademanagement Antrieb: zwei Radnabenmotoren pro Achse, insgesamt vier Elektromotorenzwei ZF AVE 130-Antriebsachsen (Mittel- und Hinterachse)verbesserte Traktion und flexibel Leistungsabgabe473 PS Leistung Sicherheitssystem: Aktive Reifendruckkontrolle an jedem Rad (Tire Pressure Monitoring)
Fußgängererkennung im Nahbereich vorne (Frontguardassist)
Abbiegeassistent links & rechts (Sidgeguardassist 2)
Optischer Geschwindigkeitshinweis (Intelligent Speed Assistance)Ausstattung: 45 Sitzplätze und 85 Stehplätzegroße Multifunktionsfläche, z.B. für Rollstühle und Kinderwagenhelle, freundliche Beleuchtung Reichweite: > 200 km, je nach Einsatzbedingungen (Topografie, Wetter, etc.) Der eCitaro G auf einen Blick
Zwar existierte bereits ein erstes Foto des Busses, das intern und in sozialen Netzwerken die Runde machte. Doch jetzt, auf der Straße, wurde Vision am Freitag endlich zur Realität. Der E-Gelenkbus – gefertigt von Daimler Buses in Mannheim – hatte seine Reise angetreten.
Ankunft, Umbau, Einsatzbereitschaft
Nach der Anlieferung in Wiesbaden stand für das Technikteam zunächst Feinarbeit auf dem Programm: Anmeldung, Druckerinstallation, Fahrassistenzsysteme justieren. Die Liste war lang, die Zeit knapp, erklärte Hebding. Am Montag rollt er dann los – und das nicht irgendwo, sondern gleich im Liniennetz der hessischen Landeshauptstadt.
Ein Ziel der heutigen Fahrt: Den vollelektrische Gelenkbus unter realen Bedingungen zu erproben. Auch Steigungen in Naurod wurden bewusst eingeplant – schließlich gilt Wiesbaden mit seiner Topografie für viele Elektro-Fahrzeugtypen als Herausforderung. Die Erinnerung an Meldungen, dass so mancher Bus einst an den Hängen der Stadt scheiterten, wirkt bis heute nach.
Zwei angetriebene Achsen gegen den Berg
Technisch wurde vorgesorgt: Der e-Citaro Gelenkbus verfügt über zwei angetriebene Achsen – Mittel- und Hinterachse – um auch bei voller Beladung zuverlässig Steigungen zu meistern. Dietmar Schneider, Verkehrsleiter und zuständig für die technische Strategie, erklärte während der Fahrt die Besonderheiten des Antriebs, der Assistenzsysteme und der Batterieinfrastruktur.
Für ihn steht fest: Ein E-Gelenkbus muss Wiesbaden bergauf und bergab bestehen, sonst ist er hier nicht einsatzfähig. Die Batteriekapazität von 680 kWh – das entspricht der doppelten Leistung der bisherigen Solo-Busse – soll das ermöglichen – auch bei winterlichen Temperaturen, wenn allein ein Drittel der Energie fürs Heizen benötigt wird.
Arbeitsplatz auf Rädern
Neben den technischen Daten punktet der neue Bus auch mit Komfort und Sicherheit. Großzügige Multifunktionsflächen, ein modernes Fahrercockpit und aktuelle Fahrassistenzsysteme – darunter Abbiegeassistenten auf beiden Seiten, Radar-Sensorik und Abstandswarnsysteme – machen das Fahrzeug nicht nur effizient, sondern auch sicher.
Bis zu 130 Fahrgäste finden Platz, dazu ein Rollstuhlstellplatz. Die Gestaltung sei freundlich und funktional, führte Schneider bei der ersten Fahrt aus. Auch wenn an den Abrollgeräuschen nichts zu ändern sei, so bleibe es ein anderer, angenehmer Klang im Bus, hielt er fest.
Elektromobilität: Fortschritt mit Hürden
Der Preis allerdings hat es in sich: Rund 900.000 Euro kostet ein solcher E-Gelenkbus – fast das Doppelte eines vergleichbaren Dieselbusses. Und: Die staatliche Förderung, die noch bei den ersten E-Solobussen griff, ist ausgelaufen. Für viele Verkehrsbetriebe – auch für ESWE Verkehr – wird die Umstellung zur finanziellen Kraftprobe. Dazu kommt, dass vielerorts die Möglichkeiten des Ausbaues begrenzt seien. Der Betriebshof ist am Limit – sowohl räumlich als auch logistisch. Ohne zusätzliche Fläche, ohne Lademanagementsysteme, ohne Fördermittel wird die weitere Elektrifizierung zur strategischen Gratwanderung.

Noch keine Bestellung weiterer Busse
Die Verantwortlichen wollen deshalb vorerst in Wiesbaden Erfahrungen sammeln. Reichweite, Steigfähigkeit, Energieverbrauch – all das soll im Testbetrieb ausgelotet werden. Wir setzen intern 200 Kilometer als Benchmark an. Schafft der Bus das, können wir über eine weitere Bestellung nachdenken, so der Jürgen Hüphol, Sprecher von ESWE Verkehr.
Entschieden ist noch nichts – viele Fragen hängen am Bau eines zweiten Betriebshofs. Gespräche dazu laufen, Flächen werden auf ihre Machbarkeit geprüft. Die Mühlen mahlen langsam. Ein realistischer Zeithorizont: mindestens sieben bis acht Jahre. Was nicht heißt, dass der nächste Gelenkbus frühestens 2032 angeschafft wird.
Ausschreibungen brauchen Zeit – und Geduld
Zwischen europaweiter Ausschreibung, Vergabeprozessen und Produktionsvorlauf bleibt kaum Spielraum für spontane Entscheidungen. Und selbst wenn ESWE Verkehr noch im März einen zweiten Gelenkbus bestelle, vor 2027 kann er nicht auf Wiesbadens Straßen fahren. Die Lieferfristen von rund 2 Jahren machen das unmöglich. Wir befinden uns in einem Spannungsfeld aus Klimazielen, Förderfragen und Fahrgastwachstum, erklärte die ESWE-Geschäftsführerin. Es geht nicht um Wollen oder Nicht-Wollen, sondern um das Machbare.
Klimaziele als Kompass
Einigkeit herrschte darin, dass Elektromobilität notwendig bleibt. Gerade im öffentlichen Nahverkehr kann sie einen entscheidenden Beitrag zur Luftqualität leisten. Wiesbaden plant langfristig mit emissionsfreien Fahrzeugen – vor allem im Solo-Bereich, wo E-Busse schon heute fast flächendeckend eingesetzt werden.
Im Gelenkbusbereich steht man erst am Anfang. Doch mit der Premiere des ersten E-Gelenkbusses ist der Grundstein gelegt. Jetzt heißt es testen, lernen, verbessern – und dann entscheiden.
Foto – eCitaro auf Wiesbadens Straßen © 2025 Volker Watschounek
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