Wiesbadens Schornsteinfeger besuchen seit fast vier Jahrzehnten die HSK an Silvester und bringen mit Zylinder und Klee symbolisches Glück zu den Patienten.
Roberto Fey richtet den Zylinder, streicht den schwarzen Koller glatt und klopft an die erste Tür des neuen Klinikbaus. „Guten Tag, hier kommen die Glücksbringer“, ruft er fröhlich in das Krankenzimmer. Seit 39 Jahren pflegen die Schornsteinfeger der Innung Rhein-Main ihren Silvesterbrauch – und heute ziehen sie erstmals durch die neuen Helios Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK). Fey, Vorsitzender der Wiesbadener Kreisgruppe, führt 16 Kolleginnen und Kollegen an, darunter auch zwei junge Glücksbringer: Carlos und Ben, die Söhne zweier Schornsteinfeger, seit rund zehn Jahren sind sie mit dabei und aus den maßgeschneiderten Mini-Uniformen von den Anfängen inzwischen herausgewachsen.
Schornsteinfeger als Glücksbringer
Der Glaube an Schornsteinfeger als Glücksbringer stammt aus dem Mittelalter. Damals verhinderten sie Hausbrände, reinigten Rauchfänge und sorgten dafür, dass Feuerstellen sicher brannten. Wer den Schornsteinfeger sah, konnte davon ausgehen, dass das eigene Haus warm blieb und nicht in Flammen aufging – ein unschätzbares Gut. So entstand der Volksglaube: „Wenn der kommt, brennt’s net mehr.“
Bis heute berühren Menschen Zylinder, Knöpfe oder Ärmel, um sich ein bisschen Glück zu sichern. Rund um Silvester hat dieser Aberglaube Hochkonjunktur – Schornsteinfeger stehen bis heute für Schutz, Zuversicht und einen guten Start ins neue Jahr.
Auf ihrem Leiterwagen klappern Kleeblätter, kleine Kaminfeger, Glücksmagnete für den Kühlschrank, Badges fürs Rever und andere kleine Glücksbringer. Die Gruppe zieht durch die Stationen, begrüßt Pflegerinnen und Pfleger, lächelt in Handys, posiert für Selfies und hört Wünsche, Sorgen und Hoffnungen. Ein kurzer Händedruck, eine sanfte Schulterberührung – Gesten, die Menschen seit Jahrhunderten mit Glück verbinden. In Wiesbaden erleben die Schornsteinfeger regelmäßig, dass Passanten ihre goldenen Knöpfe berühren wollen, als könnten sie damit ein wenig Zuversicht mitnehmen, erzählt Schornsteinfegermeister Peter Pilz.
Begleitet werden sie von Nami Toksun, Leiter der Logistik der HSK KLiniken, der auf den Stationen abklärt, welche Zimmer besucht werden dürfen und wo Ruhe herrschen muss. Die Corona-Station und die Kinder-Intensivstation bleiben ausgespart – aus Rücksicht auf Patienten, die Stille brauchen. Doch auf allen anderen Etagen breitet sich spürbar ein warmer Moment aus: Hoffnung in Schwarz und Gold.

Ein Moment über den Dächern von Wiesbaden
Der Rundgang führt diesmal auch zu einem Ort, den bisher keiner der Schornsteinfeger betreten hat: den neuen Hubschrauberlandeplatz der HSK. Auch wenn die Gruppe nicht per Helikopter einfliegt, wächst die Vorfreude spürbar, als sich die Türen zum Dach öffnen. Ein kalter Wind greift nach den Zylindern, die Stadt liegt unter ihnen, und der besondere Augenblicks erreicht jeden Einzelnen.
Auf der Plattform rücken alle zusammen. Vater-Sohn-Duos posieren für Fotos, Kolleginnen lachen gegen den Wind an. Gruppenbilder entstehen, Selfies wechseln im Sekundentakt, und der Landeplatz verwandelt sich für wenige Minuten in eine Bühne persönlicher Silvesterhöhepunkte. Für alle ist dieser Moment neben den persönlichen Begegnungen ein weiterer Höhepunkt des gesamten Rundgangs: Ein Blick von weit oben, während unten die Stadt die Jahreswende vorbereitet.
Eine Tradition, die bleibt
Die Wurzeln dieses Rituals liegen in einer persönlichen Geschichte: Die Frau eines Kollegen lag einst an Silvester im Krankenhaus. Der Besuch der Zunft rührte die Station – und die Tradition entstand. Nur während der Pandemie wichen die Glücksbringer aus und verteilten ihre Symbole in der Innenstadt. Im vergangenen Jahr führte der Umzug der Klinik zu einem Zwischenstopp im JoHo. Doch die Verbundenheit mit den HSK blieb.
Roberto Fey begleitet den Rundgang seit 15 Jahren. Sein Sohn Carlos läuft seit zwölf Jahren an seiner Seite mit. „Als alles anfing, musste meine an Silvetser arbeiten, da habe ich Carlos einfach mitgenommen“, erzählt Fey. Aus einer spontanen Entscheidung wurde ein Familienritual. Ob Carlos später Schornsteinfeger wird? „Erst kommt die Schule“, antworten beide lachend.
Auch Schornsteinfegermeister Peter Pilz fühlt sich verpflichtet. Seit 25 Jahren läuft er mit – aus Leidenschaft, aus Verbundenheit, aus dem Gefühl, dass sein Beruf seltene Momente ermöglicht. „Wir bringen Glück“, sagt er. „Und manchmal brauchen Menschen genau das.“

Glück, das bleibt
Als die Gruppe am frühen Nachmittag die Klinik verlässt, hängen Klee und Mini-Kehrer an neuen Orten, und Dutzende Fotos erzählen von kurzen, warmen Begegnungen. Glück kann man nicht konservieren, doch man kann es verschenken. Die Wiesbadener Schornsteinfeger tun genau das – seit fast vier Jahrzehnten. Und im kommenden Jahr feiern sie ihr 40. Jubiläum.
Foto – Schornsteinfeger bringen Glück © 2025 Volker Watschounek
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