Mit Klarnamen können Sie nicht ausstellen. Das Risiko ist zu groß. Ein Pseudonym stilisiert, hilft und gewährleistet Sicherheit.
Die Künstler tragen eine virtuelle Maske. Sie bleiben geheim. Unterstützt werden ihre Präsentationen durch kuratierte Statements und Gastbeiträgen. Die Statements flankieren die Ausstellungen, um eine transkulturelle Auseinandersetzung mit zeitgenössischer afghanischer Kunst anzustoßen.
Fotoarbeiten
Zum zweiten Jahrestag der Machtübernahme, werden Ausstellungen weiterer fünfzehn Künstler eingerichtet, eine Hommage an die Stärke und Widerstandsfähigkeit der afghanischen Kultur. Die vorgestellten Werke sind durchdrungen von Anspielungen zur aktuellen sozio-politischen Lage im Land. Neben Gemälden und digitalen Zeichnungen liegt der Fokus auf Fotografien, die verschiedene reale, alltägliche, sehnsüchtige wie fiktive Situationen aufzeigen.
Meinung durch Schaffen Ausdruck verleihen
Afghanistan wird nicht nur von Armut und Naturkatastrophen beherrscht, sondern auch von Terror, Willkürherrschaft, massiver Korruption, enormen Freiheitseinschränkungen und wieder vermehrten Anschlägen. Diese bedrohliche Lage erschwert nicht nur das alltägliche Leben der Menschen, das von Gewalt, der permanenten Sorge um nahestehende Menschen, Angst, Flucht aber auch Widerstand geprägt ist, sondern bringt das künstlerische Schaffen nahezu zum Erliegen. Obendrein haben die Machthaber die künstlerische Darstellung von Lebewesen, besonders Menschen, komplett untersagt. Kunstwerke wurden und werden aus Sicherheitsgründen teils von den Künstler selbst zerstört, teils fielen sie Plünderungen und gezielter Zerstörung bei Hausdurchsuchungen zum Opfer oder mussten bei der Flucht zurückgelassen werden. Viele Arbeiten existieren jedoch noch im Verborgenen, andere nur noch in der Dokumentation. Gleichzeitig leisten auch immer noch Künstler Widerstand, in dem sie ihrer Meinung durch ihr Schaffen Ausdruck verleihen – entgegen aller Hindernisse und Verbote.
Meinung durch Kunst
Im Laufe der Jahre haben afghanische Künstler eine außergewöhnliche Entschlossenheit entwickelt, ihre individuellen und kollektiven Erfahrungen mit Hilfe ihrer Kunst zu vermitteln und Geschichten der Hoffnung, Widerstandsfähigkeit und Identität zu erzählen, in der die Selbstäußerung oft auf große Herausforderungen stößt. In der schwierigen Lage wird der Akt des künstlerischen Schaffens zu einem zweischneidigen Unterfangen – einer befreienden Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung, aber auch einer potenziellen Bedrohung für die Künstler selbst und ihre unmittelbare Umgebung, da ihre Werke und Identitäten ins öffentliche Blickfeld treten. Die Künstler setzen ihren Widerstand fort, indem sie ihre Meinungen durch ihre Kunst zum Ausdruck bringen und alle Hindernisse und Verbote trotzen.
Digitales Archiv
In enger technischer und logistischer Zusammenarbeit mit Walter’s Cube (New York / Budapest) ist nach zwei Jahren der Unsichtbarkeit, nicht nur eine Plattform der künstlerischen Sichtbarkeit, des Austauschs und der Anerkennung, sondern auch die Möglichkeit, am internationalen Kunstdiskurs teilzunehmen und sich professionell zu vernetzen wieder gegeben. Gleichzeitig entsteht ein digitales Archiv der Bildenden Kunst in Afghanistan. Im Einklang mit der Idee des Central Collecting Point Wiesbaden, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Drehscheibe für den Wiederaufbau der Museumslandschaft diente, wird ein digitales Archiv der afghanischen Kunst erstellt, um weitere unersetzliche Verluste der afghanischen Kultur zu verhindern.
Die ersten Ausstellungen wurden in einem Kooperationsworkshop in Berlin beider Hochschulen im Mai 2023 entwickelt, ein besonderer Dank gilt dem Projektmanager Yama Rahimi, der die vertrauensvolle Brücke in die Kunstszene Afghanistans ermöglicht hat und mit seinem Wissen, Fähigkeiten und vor allem seiner unendlichen Energie dem Projekt maßgeblich vorangetrieben hat.
Kooperation
Der Nassauische Kunstverein Wiesbaden kooperiert für die fortlaufenden, digitalen Ausstellungen Hidden Statement mit Deutschen Akademie Rom Villa Massimo, dem Goethe-Institut Rom, der Hochschule für Gestaltung Offenbach (Ulrike Grünewald, Yama Rahimi), Walter’s Cube New York und dem Institut für Raumkonzepte der weißensee kunsthochschule berlin für die fortlaufenden digitalen Ausstellungen von Hidden Statement zusammen.
Ohne unsere Partnerinnen und Partner wäre das Projekt nicht möglich geworden.
Der Nassauischer Kunstverein Wiesbaden stellt seine Belle Etage zur Verfügung, die digital von Walter’s Cube erfasst wurde, um 200 afghanischen Künstlern die Möglichkeit für eine digitale Einzelausstellung zu geben und ihre Kunstwerke vor vollständigem Verschwinden zu schützen. Aus Sicherheitsgründen werden die Namen der Künstler nicht preisgegeben, bis sie sich alle an einem sicheren Ort befinden. Die Ausstellungen werden von verschiedenen Künstler:innen und Kurator:innen kuratiert und regelmäßig auf der Website des Nassauischer Kunstverein Wiesbaden veröffentlicht.
Walter’s Cube
Walter’s Cube ist eine digitale Plattform, die den Zugang zu Kunst und Ausstellungen demokratisiert, indem sie die physischen und zeitlichen Barrieren zwischen Kunsträumen und ihrem potenziellen Publikum beseitigt. Walter’s Cube scannt institutionelle Räume und erstellt ihre digitalen Gegenstücke, die von überall auf der Welt, rund um die Uhr zugänglich sind. Bereits über 1.000 Ausstellungen wurden digitalisiert, was Künstlern und Kuratoren neue Möglichkeiten bietet, Ausstellungen in digitalem Format zu realisieren, bestehende Ausstellungen zu bewahren oder neue zu erstellen und zu veröffentlichen, die in der physischen Welt nicht existieren. Walter’s Cube beteiligt sich voller Überzeugung an Hidden Statement, einem Projekt, das die katastrophale humanitäre Situation in Afghanistan beleuchtet. In Solidarität mit dem afghanischen Volk bietet die Plattform einen Raum für unterrepräsentierte und verstummte afghanische Künstler, um ihre Werke im digitalen Zwilling des Nassauischer Kunstverein Wiesbaden zu präsentieren und die Bedeutung von Kunst als Förderer des menschlichen Zusammenlebens zu unterstreichen, indem sie kulturelle und gesellschaftliche Barrieren überwindet.
Meinungsfreiheit
Aid-A – Aid for Artists in Exile e.V. unterstützt Künstler aus aller Welt, die in ihren Heimatländern aufgrund ihres Einsatzes für Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Demokratie in verschiedenen Bereichen wie Theater, bildende Kunst, Literatur, Film und Musik verfolgt werden. Oft sind diese Künstler gezwungen, ihre Länder zu verlassen und eine neue Existenz im Exil aufzubauen.
Das Projekt Hidden Statement wurde ermöglicht durch die großzügige Förderung des Kunstsommers 2023 des Kulturamtes der Landeshauptstadt Wiesbaden – FLUXUS SEX TIES!
Foto oben ©2023 NKV
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Die Internetseite vom Nassauischen Kunstverein Wiesbaden finden Sie unter www.kunstverein-wiesbaden.de.