Menü

kalender

April 2024
S M D M D F S
 123456
78910111213
14151617181920
21222324252627
282930  

Partner

Partner

/* */
Reformationstag: Volker Jung: Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat, der Bund und Treue hält ewiglich und der nicht preisgibt das Werk seiner Hände.

„Beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst“

In der Evangelischen Lutherkirche haben am Sonntagabend Protestanden ihren Gottesdienst am Reformationstag mit jüdischen Gästen gefeiert. . Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Dr. Dr. h.c. Volker Jung betonte, dass das nicht selbstverständlich sei.

Volker Watschounek 2 Jahren vor 0

Reformationstag: „Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat, der Bund und Treue hält ewiglich und der nicht preisgibt das Werk seiner Hände.“

Über Jahrhunderte haben sich christliche Gemeinden gegenüber Juden abgegrenzt. Abgrenzung und Verachtung haben immer wieder den Boden dafür genährt, dass Juden verfolgt wurden. Die Reformation ist fest mit Martin Luther verbunden. Seine massiven antijüdischen Schriften und Äußerungen haben eine verhängnisvolle Wirkungsgeschichte bis hin zur nationalsozialistischen Ideologie und damit bis zur Schoa. Dr. Dr. h. c. Volker Jung war es daher wichtig im Rahmen der Feierlichkeiten zum Reformationstag in der Lutherkirche am Samstagabend, 31. Oktober, deutlich zu machen, dass sich die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau und als Evangelische Kirche in Deutschland vor dem Reformationsjubiläum 2017 deutlich von den Texten Luthers distanziert hat. Zu Beginn seiner Predigt, begrüßte er Dr. Josef Schuster, den Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland – und weitere Gäste.

Predigt im Wortlaut

Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Sie, lieber Herr Dr. Schuster, als Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland, heute hier sind! Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Sie, lieber Herr Dr. Gutmark, als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde hier in Wiesbaden und des Landesverbandes jüdischer Gemeinden in Hessen, gemeinsam mit Ihrer Frau hier sind! Sie, liebe Frau Kischner, als Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Mainz! Vielen Dank! Das ist Ausdruck eines gewachsenen Vertrauens in vielen Begegnungen und Gesprächen in den letzten Jahren und Jahrzehnten.

„Ein feste Burg ist unser Gott

Als Christinnen und Christen sind wir, wie Paulus es gesagt, hat, ein Zweig, den Gott in den Ölbaum seines auserwählten Volkes eingepfropft hat. Die Heiligen Schriften des Judentums sind gleichzeitig auch ein wesentlicher Teil unserer christlichen Bibel. Und mit dem Lied, das für uns Evangelische so fest zum Reformationstag gehört, stehen wir mitten drin in dieser großen und so reichen Tradition. „Ein feste Burg ist unser Gott“ – das ist Luthers Dichtung zum 46. Psalm. Wir haben diesen Psalm in einer Sprechcollage gehört. Es sind großartige Worte. Es sind Gebetsworte, die selbst das sind, worüber sie reden: ein Ort der Zuflucht bei Gott. Darauf will ich heute unseren Blick lenken, weil ein solcher Ort nötig ist und guttut – uns allen.

„Gott ist unsre Zuversicht und Stärke,…“

Die Worte des 46. Psalmes sind Worte von Menschen, die wissen, wie sehr das Leben bedroht ist. Da wütet und wallt das Meer und Berge stürzen ein. Mächtige und zerstörerischen Naturgewalten bedrohen das Leben. Und auch Menschen selbst zerstören das Leben mit ihrer Gewalt und ihren Kriegen. Das sind Urerfahrungen der Menschheit. Und es sind keine Erfahrungen weit zurückliegender Zeiten, obwohl die Worte des alten Gebetes etwa 2500 Jahre alt sind.

Was erleben Menschen heute?

Es ist frappierend, wie nah die Worte manchmal kommen. Der Psalm beschreibt entfesselte Naturgewalten. Die Menschen im Ahrtal haben das auf eine Weise erlebt, wie viele es nicht für möglich gehalten hätten. Hier doch nicht! Sicher, es hat schon immer besondere Naturkatastrophen gegeben. Davon zeugen auch die alten Gebetsworte der Bibel. Aber wir sehen doch ziemlich klar, dass manche Katastrophen viel damit zu tun haben, wie wir leben. Und es gibt ein großes Erschrecken darüber, dass nicht viel früher mehr getan wurde. Besonders junge Leute klagen und mahnen an. Es geht um diese Welt und ihre Zukunft. Heute hat der Klimagipfel in Glasgow begonnen. Hoffentlich sieht die Weltgemeinschaft diese große Aufgabe und stellt sich ihr. Dass das Meer wütet und Berge mitten ins Meer sinken, sind keine Bilder einer längst vergangenen Welt. Sie sind heute auch Mahnung.

Gott ist unsere Zuversicht und Stärke

Und leider ist auch nicht vergangen, was Menschen einander antun – in den Kriegen dieser Welt und auch mitten unter uns. Wir ringen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt – in einer sehr angespannten Situation. Wir sind drin in großen gesellschaftlichen Veränderungen. Digitalisierung verändert sehr viel. Da gibt es viele Möglichkeiten, aber die müssen auch in einem guten Sinn genutzt werden. Menschen sind weltweit auf der Flucht. Wie werden wir dem gerecht ohne die Menschlichkeit preiszugeben? Corona hat die vielen Spannungen verschärft. Es ist erschreckend, mit welcher Härte und mit welchem Hass Menschen übereinander reden. Es ist erschreckend, dass Antisemitismus und Rassismus auf neue Weise Raum greifen.

Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge.

Gott ist eine Hilfe in den großen Nöten

So beginnt unser altes Gebet. Mitten in allem, was das Leben bedroht, suchen Menschen einen Halt in Gott. Sie halten Ausschau nach einem sicheren Ort. „Zuversicht und Stärke“ – die hebräischen Worte bedeuten ursprünglich „Zufluchtsort und Festung“ – ein sicherer Ort, eine Festung hoch auf dem Berg. Deshalb dichtet Luther in seinem Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“. In der Lutherkirche, in der wir hier sind, ist es auch Bauprogramm geworden. Von außen wie eine wuchtige Burg. Und innen wie die himmlische Gartenstadt Gottes, die auch unser Psalm im Blick hat: ein sicherer und schöner Ort, ein Ort, der mit seinem friedlichen Wasser Menschen erfreut – so dass es gut ist dort zu sein, „fein lustig“ eben. Im alten Israel wurde Jerusalem zum Sehnsuchtsort – zum Ort, der sicher ist vor den heranstürmenden Feinden, zum Ort, an dem Gottes Hilfe schon spürbar ist an jedem Morgen mit der aufgehenden Sonne. Und es war der Ort, dem Menschen sich im Glauben fest verbunden wussten. Weil sie immer wieder erfahren hatten: Der HERR Zebaoth ist mit und, der Gott Jakobs, ist unser Schutz!

In meinem Haus ist allmählich ein Hospital entstanden

Halt finden bei Gott – inmitten aller Bedrohungen. Das war übrigens auch der Gedanke, den Luther so sehr an diesem Psalm geschätzt hat. „Ein feste Burg ist unser Gott“. Gedichtet hat er diese Verse mit großer Wahrscheinlichkeit im Herbst 1527. Das war für ihn persönlich eine sehr schwierige Zeit. Einem Freund hat er in einem Brief geschrieben: „Der Satan wütet von selbst mit all seiner Macht gegen mich, und der Herr hat mich, gleichsam als zweiten Hiob, zum Zeichen gesetzt, und er versucht mich durch eine ungewöhnliche Schwachheit meiner Lebensgeister.“ Heute würden wir wohl sagen: Er litt an Depressionen. Da gab es einige Ereignisse, die ihn sehr bedrängten – auch die Pest, die in dieser Zeit in Wittenberg wütete. „In meinem Haus ist allmählich ein Hospital entstanden. … Ich fürchte sehr für meine Käthe, die der Niederkunft nahe ist, denn auch mein Söhnchen ist seit drei Tagen krank, ißt nichts und fühlt sich schlecht.“ Und dann: „Ein feste Burg ist unser Gott …“ mit den Zeilen „Und nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib.“ Da hält sich jemand an Gott fest – in großer persönlicher Not. Das ist weit weg von einem trotzigen Kampfgesang, zu dem dieses Lied dann später wurde – besonders dort, wo es als nationales Kampflied gesungen und missbraucht wurde.

Gott nimmt das Bedrohliche nicht weg

Luther hat die Psalmen, die alten Gebete Israels, sehr geschätzt. Sie sind „eine kurze Bibel“, sie geben Einblick in Herzen und Seelen. Und vor allem: „Das allerbeste, dass sie solche Worte gegen und mit Gott reden.“

Das heißt: Die Psalmen geben dem Glauben eine Sprache, Fragen und Klagen, Lob und Dank und immer wieder der großen Hoffnung: Gott ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz.

Der 46. Psalm ist besonders eindrücklich. Gott nimmt das Bedrohliche nicht weg – weder das Bedrohliche in der Natur und der Welt noch das Bedrohliche in den Herzen der Menschen. Das ist die große Zumutung, in die Gott uns stellt. Aber Gott tritt den Chaosmächten entgegen um seiner Menschenkinder willen. Hätte Gott die Chaosmächte nicht gebändigt, gebe es diese Welt und uns nicht. So wird im alten Israel gedacht. Und „zerstören“ – wie es im Psalm heißt – will Gott die Kriege, die Bogen, die Spieße und die Kriegswagen. Und Gott wirbt dafür, dass Menschen ihn so erkennen und seinem Willen folgen: „Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!“

Worte sind ein Ort der Zuflucht

Sie sehen: Es steckt so viel in diesen großartigen alten Gebetsworten. Es sind Worte Israels. Als Christen beten wir sie mit unserem jüdischen Bruder Jesus. Er führt uns zu dem Gott Israels, nimmt uns hinein in sein Vertrauen, seinen Glauben, seine Hoffnung. So sind wir als Christinnen und Christen unauflöslich dem jüdischen Glauben verbunden. Eine Plakataktion zum Festjahr 1.700 Jahre jüdisches Leben drückt das so aus „beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst“. Wenn wir Psalmworte beten, nehmen wir Zuflucht bei Gott und suchen den Schutz des Gottes Jakobs. Und so sind die Worte selbst ein Ort der Zuflucht zu Gott.

Wir brauchen Gott

Wir brauchen Gott – mitten in dieser Welt, in den Spannungen, die wir erleben. Ganz persönlich – jede und jeder einzelne von uns: in der Sorge um das eigene Leben oder um das Leben von Menschen, die uns nahe sind. Seine Worte und Weisungen können Menschen miteinander verbinden.

Wir brauchen Gott in den Spannungen in unserer Gesellschaft und in unserer Angst um die Zukunft dieser Welt. Seine Worte und Weisungen geben Hoffnung.

Wir brauchen Gott, damit Sorgen und Ängste nicht übermächtig werden und wir nicht orientierungslos umherirren. Seine Worte und Weisungen zeigen den Weg des Lebens, damit wir das Gute tun. Und das unterlassen, was das Leben und diese Welt zerstört

Wir brauchen Gott, damit wir den Chaosmächten keinen Raum geben. Gott weist uns auf den Weg des friedlichen Zusammenlebens zwischen Völkern und Religionen, zwischen Menschen in all ihrer Verschiedenheit und zwischen Menschen und Natur.

Lasst uns Gottes Nähe suchen

Lasst uns Gottes Nähe suchen – in unseren Gedanken und Gebeten. Und lasst uns erfahren: Gott ist für uns – Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.

Seine Gnade und sein Frieden sei mit uns allen. Amen

Bild oben ©2021 Volker Watschounek

Weitere Nachrichten aus dem Ortsbezirk Südost lesen Sie hier.

Die offizielle Internetseite des Evangelisches Dekanat Wiesbaden finden Sie unter www.dekanat-wiesbaden.de.  

 

Diskutieren Sie mit

Diskutieren Sie mit

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Geschrieben von

Volker Watschounek lebt und arbeitet als freier Fotograf und Journalist in Wiesbaden. SEO und SEO-gerechtes Schreiben gehören zu seinem Portfolio. Mit Search Engine Marketing kennt er sich aus. Und mit Tinte ist er vertraut, wie mit Bits und Bytes. Als Redakteur und Fotograf bedient er Online-Medien, Zeitungen, Magazine und Fachmagazine. Auch immer mehr Firmen wissen sein Know-how zu schätzen.