Vier Künstler zeigen im Kunsthaus Wiesbaden, wie gezeichnete Erinnerungen politische Bildung leisten – und warum das Medium Comic mehr kann als Unterhaltung.
Was bleibt vom Erinnern, wenn die Stimmen der Zeitzeugen verstummen? Das Kunsthaus Wiesbaden gibt eine kraftvolle Antwort. Die Ausstellung Ich werde nicht schweigen! Gezeichnete Erinnerung im Comic erzählt Geschichten, die nicht verklingen dürfen – und tut das mit Stift, Papier und Haltung.
Kunsthaus Wiesbaden, kurz gefasst
Gezeichnete Erinnerung im Comic – Ich werde nicht schweigen! Wann: 22. Mai bis 13. Juli 2025 Gespräch: 6. Juni 2025, 17:30 Uhr Wo: Kunsthaus Wiesbaden, Schulberg 10, 65183 Wiesbaden Eintritt: frei
Bis zum 13. Juli zeigt das Kunsthaus vier internationale Comic-Künstler, die sich der Vergangenheit zeichnend nähern: Hannah Brinkmann, Tobi Dahmen, Nora Krug und Birgit Weyhe. Ihre Werke laden nicht nur zum Sehen ein – sie fordern uns auf zu verstehen.
Comics, die Verantwortung übernehmen
Hier wird nicht fabuliert, sondern geforscht. In Bild und Text setzen sich die Künstler mit NS-Zeit, Flucht, Folter und Widerstand auseinander. Sie zeichnen Biografien nach, rekonstruieren Lebenslinien, fragen nach Schuld, Erinnerung und demokratischer Verantwortung.
Hannah Brinkmann begleitet den Holocaust-Überlebenden Ernst Grube durch dessen Jahrhundertleben. Tobi Dahmen gibt in seiner kommenden Graphic Novel dem syrischen Gefolterten Akram Al Saud eine Stimme. Nora Krug gräbt sich durch Archivfunde ihrer Familie, und Birgit Weyhe widmet sich Elisabeth Käsemann, einer deutschen Studentin, die 1977 in Argentinien ermordet wurde.
Erinnerung ist Gegenwart
„Ich werde nicht schweigen!“ ist keine historische Rückschau, sondern eine Einladung zum Diskurs – gegen Verklärung, für Aufklärung. Skizzen, Recherchen, Interviews: Die Ausstellung zeigt nicht nur fertige Comics, sondern den ganzen Entstehungsprozess.
Programm zur Ausstellung
Filmvorführung: „Das kostbarste aller Güter“ Sonntag, 25. Mai, 18 Uhr (Original mit Untertiteln) und Mittwoch, 28. Mai, 17.30 Uhr im Anschluss Gespräch mit Jakob Hoffmann Animationsfilm F/B 2024, 81 Minuten, FSK ab 12 Jahre Ort: Caligari FilmBühne, Marktplatz 9 Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 7 Euro, mit Filmkunstkarte 6 Euro Gespräch Freitag, 6. Juni, 18 Uhr „Mit Recht gegen die Macht“ Wolfgang Kaleck, Rechtsanwalt und Gründer des European Center for Constitutional and Human Rights, im Gespräch mit Birgit Weyhe („Schweigen“), Moderation: Jakob Hoffmann Buchvorstellung und Gespräch Mittwoch, 11. Juni, 19 Uhr Birgit Weyhe stellt ihre Neuerscheinung „Schweigen“ vor. Im Anschluss spricht Jakob Hoffmann mit der Autorin und der Schirmherrin Prof. Dr. Aleida Assmann („Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur. Eine Intervention“). Lesung und Gespräch Donnerstag, 26. Juni, 19 Uhr Der in Wiesbaden lebende Journalist und Autor Arno Frank liest aus seinem Roman „Ginsterburg“. Moderation: Jutta Leimbert, Buchhandlung Vaternahm Kuratoren-Führungen mit Jakob Hoffmann Donnerstag, 12.Juni, 18 Uhr Sonntag, 13. Juli, 15 Uhr (Finissage) Öffentliche Führungen mit Dr. Christiane Morsbach Donnerstag, 29. Mai (Christi Himmelfahrt), 15 Uhr Sonntag, 15. Juni, 15 Uhr Sonntag, 29. Juni, 15 Uhr Donnerstag, 10. Juli, 18 Uhr Barrierefreie Führung für Seheingeschränkte sowie Sehende mit Esther Poppe und Fabian Korner Freitag, 6. Juni, 16 Uhr Anmeldung bis 5. Juni unter: bildende.kunst@wiesbaden.de Führungen für seheingeschränkte und gehörlose Menschen auf Anfrage Führungen für Schulklassen Zur Ausstellung werden Führungen ab der 9. Klasse angeboten. Anmeldung: bildende.kunst@wiesbaden.de Workshops für Schulklassen ab 9. Klasse Mittwoch, 4. Juni und 2. Juli, sowie Donnerstag, 3. Juli, jeweils 9 bis 14 Uhr „Spurensuche – Wiesbaden im Nationalsozialismus“ ist ein interaktives Workshopangebot, in dem sich die Teilnehmenden mit Hilfe von Erinnerungsorten gemeinsam der nationalsozialistischen Geschichte Wiesbadens annähern. Anmeldung bis eine Woche vor Workshopbeginn: bildende.kunst@wiesbaden.de
Kuratiert wurde die Schau von Jakob Hoffmann, unterstützt vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain, mit der Schirmherrschaft von Aleida Assmann. Begleitet wird sie von einem umfangreichen Rahmenprogramm mit Lesungen, Filmen, Führungen und Workshops – entstanden in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden und dem Verein Spiegelbild.
Erinnerungskultur zum Anfassen
Das Kunsthaus Wiesbaden macht Ernst mit seinem demokratiepolitischen Anspruch. Die Ausstellung ist ein Plädoyer dafür, Geschichte lebendig zu halten – und zeigt eindrucksvoll, wie der Comic als Kunstform dabei hilft, kollektives Gedächtnis zu formen.
Denn: Zeit heilt nicht alle Wunden. Aber Bilder helfen, nicht wegzusehen.
Foto – aus der Ausstellung © 2025 LH Wiesbaden
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