Andreas Guntrum verabschiedet sich beim SEG Jahresempfang – und beginnt eine dynamische Stadtentwicklungsgesellschaft mit klarer Haltung und vielen offenen Zukunftsfragen zu übergeben.
Es ist kurz nach 15 Uhr, als Andreas Guntrum am Freitagnachmittag das Rednerpult betritt – ein Ort, der sinnbildlicher kaum sein könnte: das ehemalige Warenhaus in der Wiesbadener Innenstadt, einst Sportarena, jetzt Übergangsort und Zukunftsversprechen. Die SEG Stadtentwicklungsgesellschaft hat das Gebäude im Vorjahr erworben, als Impuls für die Belebung der Innenstadt. Nun dient es als Bühne für den SEG Jahresempfang – und für den beginnenden Abschied nach 29 Jahren an der Spitze der Gesellschaft.
Ein letzter Empfang
Guntrum, gemeinsam mit dem zweiten SEG-Geschäftsführer Roland Stöcklin im Erdgeschoss noch herzlich Hände schüttelnd, wirkt sichtlich bewegt. Der Jahresempfang der SEG ist für ihn nicht nur eine Veranstaltung mit Netzwerkcharakter, sondern immer wieder ein persönlicher Meilenstein seiner Berufung. Der scheidende Geschäftsführer lässt es sich nicht nehmen, die Geschichte „seiner“ SEG zu erzählen, ihre Aufgaben, ihre Wandlungsfähigkeit und ihre Bedeutung für Wiesbaden zu skizzieren. Emotional, aber ohne Pathos, klar in der Haltung, zurückblickend und zugleich zukunftsorientiert.
29 Jahre im Zeichen der Stadtentwicklung
1996 gegründet, wird die SEG als städtisches Schnellboot konzipiert – wendig, effizient, marktnah. Guntrum, erst als Aufsichtsrat, ab 2005 als Geschäftsführer, formt das Unternehmen mit. Von damals 13 Mitarbeitenden wächst die SEG auf knapp 200. Die Bilanzsumme versechsfacht sich auf über 400 Millionen Euro. Zahlreiche Großprojekte tragen seine und Stöcklins Handschrift: die Entwicklung der Konversionsflächen, neue Wohngebiete wie in Nordenstadt oder das geplante Quartier „Zweibörn“ mit 750 Wohneinheiten. Guntrums Bilanz liest sich wie ein städtebauliches Logbuch der vergangenen drei Jahrzehnte.
Innenstadt als Herzenssache
Ein besonderer Fokus liegt stets auf der Innenstadt. Der Erwerb zentraler Schlüsselimmobilien wie der Kleinen Schwalbacher Straße oder der leerstehenden Passage ermöglicht der SEG, auf Strukturwandel aktiv zu reagieren. Das neue Projekt an der Kirchgasse – als Ersatz für die Passage – steht vor dem Baubeginn. Guntrum lobt die Zusammenarbeit mit Verwaltung und Bauaufsicht, betont aber auch, dass erfolgreiche Stadtentwicklung Zeit brauche: „Entscheidend ist nicht die Projektdauer, sondern dass wir das Richtige tun.“
Impulse für die Zukunft
Dass die SEG sich nicht nur als Quartiersentwickler, sondern als Treiber städtebaulicher Innovation begreift, zeigt auch der jüngste Immobilienerwerb: die alte Kaufhalle, Sportarena, Karstadt Sport. Was genau aus ihr wird, ist noch offen – doch Guntrum spricht sich klar für eine kulturelle Nutzung aus. Ein Stadtmuseum, kombiniert mit Gastronomie, könne hier Frequenz schaffen und der Innenstadt ein neues Zentrum geben. Der Vorschlag, so vage er noch scheinen mag, zeigt: Auch im letzten Jahr seiner Amtszeit denkt der SEG-Geschäftsführer nach vorn.
Wandel mit Verantwortung
Mit ihm verlässt auch Roland Stöcklin die Geschäftsführung. Ein doppelter Umbruch, der in der Stadtpolitik kritisch beäugt wird. Guntrum selbst kommentiert trocken, dass er noch ein oder zwei Jahre zur Verfügung gestanden hätte. Doch Wandel gehöre zum Leben – entscheidend sei, dass die SEG ihre Agilität bewahre. Als „eierlegende Wollmilchsau“ der Stadtentwicklung habe sie sich etabliert, als Problemlöserin in schwierigen Situationen, zuletzt etwa beim geplanten Erwerb des Rheingau-Palais, welches das neue Zuhause der Schiersteiner Hafenschule werden soll, – und der Stadt 50 Millionen Euro spare.
Ein Netzwerk mit Haltung
Bei aller Zahlen- und Projektbilanz rückte Guntrum immer wieder den eigentlichen Zweck des Jahresempfangs in den Fokus: Menschen zusammenzubringen, Ideen auszutauschen, Vertrauen zu stärken. Nicht ohne Ironie kommentiert er die gelegentliche Kritik an Aufwand und Kosten: „Unsere Gäste haben auch zu Hause genug zu essen.“ Der SEG Jahresempfang sei kein Selbstzweck, sondern ein Ort des Dialogs – und nicht selten auch der Geburtsort neuer Projekte, – dass er hoffentlich auch bleibe.
Ein Vermächtnis mit Substanz
Zum Schluss stellt Guntrum seine Nachfolgerin vor: Prof. Dr. Ute Knippenberger tritt zum 1. September in die Geschäftsführung ein. Applaus begleitet diesen Übergang, der nicht nur personell, sondern auch inhaltlich geprägt sein wird. Denn wie Guntrum betont, bleibt Stadtentwicklung nie stehen. Wiesbaden stehe vor großen Herausforderungen – baulich, gesellschaftlich, politisch. Die SEG sei dafür gut aufgestellt, „solange sie bleibt, was sie ist: ein schnelles Boot in unruhigen Gewässern.“
Fazit
Der Jahresempfang 2025 war mehr als ein Rückblick. Er war ein Blick nach vorn – geprägt von einem beginnenden Abschied in Würde, einer Bilanz mit Haltung und einer Einladung zum Weiterdenken. Guntrum übergibt kein fertiges Werk, sondern ein wachsendes Gebilde. Die Zukunft der SEG, so zeigte dieser Nachmittag eindrucksvoll, ist offen – aber alles andere als unvorbereitet.
Foto – Andreas Guntrum mit Prof. Dr. Ute Knippenberger ©2025 Volker Watschounek
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