Ein Ochse, eine Burg und ein Sprung ins Ungewisse: Die wahre Geschichte vom Wiesbadener Ochsensprung ist spektakulär – und fast vergessen.
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Sachen gibt’s, die glaubt man nur, wenn man dabei war – oder wenn einem ein alter Sonnenberger sie mit glänzenden Augen am Stammtisch zuraunt. Die Geschichte vom „Ochsensprung“ gehört sicher dazu. Klingt nach Volksmärchen? Ist aber fast zu gut, um erfunden zu sein. Erzählt hat sie Sonnenberg Ortsvorsteher Stefan Bauer am Weinstand in Sonnenberg.
Sein letzter Weg
Es war der 10. November 1952, ein Montagmorgen wie jeder andere, nur nicht für den Ochsen. Der stämmige Bursche, frisch vom Bauernhof, sollte beim Metzger Wascheck in der vorderen Talstraße seinen letzten Gang antreten. Doch das Tier hatte offenbar andere Pläne.
Kaum angekommen, schnupperte der Ochse den Braten – also bildlich gesprochen – und machte sich aus dem Staub. Wuchtig, wild und unerwartet galoppierte der Ochse los: die Talstraße raus, direkt den Burgberg rauf, an Burggarten und Burggaststätte vorbei hoch bis zur Nordmauer am Bergfried, – und zack! Über die Mauer der Burg Sonnenberg.
Feuerwehr seit Ochsen ab
Und hier wird’s spektakulär: Der Zehn-Zentner-Koloss soll vom Bergfried direkt in einen Hinterhof in der Talstraße gesegelt sein. Oder besser gesagt: gestürzt. Nicht gleich auf der Straße, sondern auf einem Vorsprung soll er gelandet sein. So steht es in den Aufzeichnungen des ehemaligen Ortsvorsteher Werner Jopp (Sonnenberg von A bis Z). Die Feuerwehr, so heißt es, seilte das arme Tier später ab – zu spät. Der Aufprall war tödlich. Das Drama endete dort, wo es nicht geplant war. Und Metzger Wascheck? Der durfte den Fleischberg mühsam zurück in den Laden schleppen lassen. Von Schlachten anfangs keine Spur – höchstens von Nervenzusammenbruch.
Plakettchen für den Ochsensprung
Früher erinnerte ein Plakettchen an der Mauer an den legendären Ochsensprung. Heute? Wegsaniert. Wie so vieles, das keiner zu retten weiß. Und wenn die Burg endlich fertig ist …Vielleicht findet sich ja doch noch ein kleines Schildchen. Eins, das sagt: Hier sprang mal ein Ochse. Nicht freiwillig. Aber spektakulär.
Foto – Burg Sonnenberg ©2018 Gollners / bearbeitet Wiesbaden lebt
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