Vor genau 100 Jahren, im Jahr 1923, als Deutschland von Krisen geplagt war, der Ruhrkampf wütete, die Hyperinflation das Land erschütterte und der Hitler-Putsch die politische Landschaft veränderte, wurde Magdalena Linsner in Winden, einer Ortsgemeinde im Rhein-Lahn-Kreis, geboren. Heute, ein ganzes Jahrhundert später, lebt sie in Wiesbaden und feierte am 24. Oktober ihren 100. Geburtstag. Erst am Dienstag mit circa 35 Familienmitgliedern und Freunden, und jetzt am Samstag nochmal mit 40 anderen Freunden. Es sei gar nicht so einfach, mit so vielen Leuten in einem ihre Lieblingslokalen unterzukommen, erzählt die 100-Jährige.
Magdalena ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Sie hat in ihrem langen Leben viele historische Ereignisse und Veränderungen miterlebt. Seit mehr als 60 Jahren wohnt sie im Wiesbadener Stadtteil Nordost, immer an der selben Adresse, immer im selben Haus. Erst mit der Familie in der ersten Etage, jetzt in der zweiten. Vor 22 Jahren war sie in eine kleinere Wohnung gezogen. Dort wird sie von aufmerksamen Nachbarn und einem Pflegedienst täglich versorgt. Auch der Sohn Michael kommt immer wieder vorbei, – und wenn nicht, dann telefonieren sie zumindest (täglich). Langeweile, kann man das nicht nennen, Langeweile kennt Magdalena nicht.
Ihr jungen Leute könnt euch gar nicht vorstellen, wie es damals in Deutschland zuging. Während des Krieges, vor dem Krieg, und nach dem Krieg. Das beste daran war, dass die Diktatur zu Ende war.
Während sie gemütlich in ihrer Ecke auf dem Sofa sitzt, erzählt sie von ihrem langen Leben, geprägt von Bildung und Neugier: Auch wenn sie nur die Volksschule besuchen konnte. In und nach der Schule hat sie jede frei Minute genutzt, sich mit Liebe und Eifer fortzubilden. Die Bücherregale in der Wohnung sind Zeugnis davon. Die habe sie sicher schon drei oder viermal gelesen. Und Die Bürgschaft von Friedrich Schiller kenne auswendig. Magdalena kennt Gott und die Welt, hat viele Bekannte und steht mitten im Leben. Auch wenn ihre Schulzeit von finanziellen Einschränkungen geprägt war, erinnert sie sich gerne zurück. Der Fries im Klassenzimmer fasziniert sie bis heute. Postkarten-großer Motive. Das fing an mit einem Bild neun n. Chr.: Die Schlacht im Teuteburger Wald.
Nach der Volksschule sprach Magdalene Linsner beim der Arbeitsfront vor. Sie wollte gerne Krankenschwester werden oder aber zur Post. Ihrem Wunsch wurde nicht entsprochen. Die Arbeitsfront vermittelte sie als Haushaltshilfe an eine Arzthaushalt in Bad Ems. Nur kurz war sie dort. Der Krieg war ausgebrochen alle wurden eingezogen. In den Folgejahren wechselte sie immer wieder die Arbeitsstelle, – bis sie in Eltville auf einem Weingut eine Anstellung fand. Auf dem Weingut arbeiteten auch französische Kriegsgefangene. Die Zeit bezeichnet sie heute als eine der besten und schönsten in ihrem Leben. Eine Zeit in der es keine Hungersnot gab und die jungen Menschen aus Frankreich ihre Freunde wurden.
Nach dem Krieg arbeitete sie in Wiesbaden im Möbelhaus Danker, die erste Adresse am Platz. Dort lernt sie ihren Ehemann kennen. Eingefädelt von einer Arbeitskollegin. Ihr Sohn kehrte eben aus der Kriegsgefangenenschaft zurück und suchte Anschluss. Die spätere Schwiegermutter hatte mitbekommen, dass Magdalena sich am Abend mit Freundinnen auf der Kappeskerb treffe. Kurzerhand fragte sie, ob sie den Sohn mitnehmen würden. Klar. Sie tanzten, lachten und hatten eine Menge Spaß. Als sie sich an jenem Abend eine Verschnaufpause gönnte, setzte sich Otto zu ihr. Seit dem verbrachten die beiden ihr ganzes Leben miteinander. Bis vor 21 Jahren. Da ist Otto gestorben.
Dass wir uns so gut verstanden und immer wieder getroffen haben, war der Schwiegermutter gar nicht recht. Nach der Kriegsgefangenschaft wollte sie ihren Son erst einmal für sich haben.
Fotos ©2023 Volker Watschounek
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Vielen Dank, Herr Watschounek, für Ihren sympathischen Besuch und den Artikel. Kommen Sie die Mutter gerne mal wieder besuchen. Aber bringen Sie Zeit mit… 😉
Hallo Herr Linsner, das werde ich gerne machen … wenn sich bei mir einmal eine Lücke auftut. Gerne bringe ich dann auch das alte Flugbuch meines Vaters mit … vielleicht gibt es ja da ein Match? LG Volker Watschounek