Die Thomaskirche lädt nicht nur zur Andacht, sondern auch zur Auseinandersetzung mit der Bedeutung moderner Architektur ein.
Die evangelische Thomaskirche im Wiesbadener Villenviertel Nordost öffnete am 18. Oktober 1964 seine Pforten zum ersten Mal, und am Freitag feiert sie in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag. Der Architekt Rainer Schell entwarf das Gebäude, das die Architektur der 1960er-Jahre in Wiesbaden und Mainz entscheidend prägte. Sein Schaffen umfasst über 250 Bauwerke, darunter auch das Gutenbergmuseum in Mainz, das im kommenden Jahr einem Neubau weicht.
Gottesdienst
Wer die Thomaskirche besuchen möchte, kann am Sonntag, den 27. Oktober, um 10 Uhr an einem Gottesdienst mit Pfarrer Klaus Neumann teilnehmen. (Richard-Wagner-Straße 88, 65193 Wiesbaden)
Rainer Schell und sein Erbe
Thomaskirchenpfarrer Klaus Neumann informiert in einer kleinen Ausstellung im Foyer über Rainer Schell. Schells Architektur zeichnet sich durch Minimalismus und Funktionalität aus, erklärt Neumann. Die klare Linienführung und der Fokus auf das Wesentliche prägen auch die Thomaskirche. Das kubische Bauwerk mit Flachdach und dem hohen Betonglockenturm bleibt im Gedächtnis.
Schells Kirchenbauten setzen auf Sichtbeton, Backstein und Holz, fährt Neumann fort. Diese Materialien wechseln sich ab und betonen den nüchternen Charakter des Gebäudes. Obwohl sich diese schlichte Schönheit nicht sofort erschließt, empfinde ich die Architektur als sehr wohltuend, sagt Neumann. Kirchen müssen nicht überladen sein. Schell wollte nichts Rückwärtsgewandtes schaffen.
Ein Raum für viele Anlässe
Der Pfarrer schildert, wie Schell ein angemessenes Gehäuse für die Gemeinde entwerfen wollte. Das ist ihm äußerst gut gelungen, betont er. Der Kirchenraum funktioniert für zahlreiche Anlässe – von Kinderkirchentagen über Gottesdienste bis hin zu Krippenspielen und Konzerten.
Ein großes, bronzenes Kruzifix des Künstlers Jürgen Weber prägt den Altarraum und verleiht dem Raum spirituelle Tiefe. Die Orgel steht auf der linken Seite, während tragende Betonsäulen die Seitenschiffe abtrennen und das klare Raumkonzept ergänzen.
Teil einer architektonischen Gruppe
Die Thomaskirche gehört zu einer Gruppe von Kirchen, die Schell in den frühen 1960er-Jahren in der Region errichtete. Zu diesen zählen die Erlöserkirche in Mainz-Kastel und die Stephanuskirche in Mainz-Kostheim. Sie alle vereinen eine ähnliche kubische Grundstruktur und den Einsatz schlichter, funktionaler Materialien.
Heute steht die Thomaskirche unter Denkmalschutz und dient nicht nur als Ort der Andacht. Sie erinnert an die Gefahren, denen moderne Architektur durch Umbauten oder Abriss ausgesetzt ist – ein Schicksal, das auch dem Schellbau droht, in dem das Gutenbergmuseum untergebracht war. Die Thomasgemeinde setzt sich aktiv für den Erhalt ihrer Kirche und das Andenken an Rainer Schell ein.
Foto – Thomaskirche der evangelische Thomasgemeinde ©2024 Evangelische Thomasgemeinde
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