Wiesbaden wählt: Im OB-Duell diskutieren Mende und von Debschitz vor der Stichwahl über Gewerbeflächen, City-Management und Innenstadtbelebung. Wer gestaltet Wiesbadens Zukunft?
Zwölf Tage vor der Stichwahl zum Oberbürgermeister von Wiesbaden traten die verbliebenen Kandidaten, Amtsinhaber Gert-Uwe Mende (SPD) und Herausforderer Thilo von Debschitz (parteilos, unterstützt von CDU und FDP), im Schwurgerichtssaal des Alten Gerichts gegeneinander an: Standen die Kandidaten dem Moderatoren-Team des Wiesbadener Kurier Rede und Antwort. Das Rede-Duell drehte sich um zentrale Fragen der Verkehrsplanung oder Stadtentwicklung: Wie kann die Innenstadt belebt werden? Welche Rolle spielt das City-Management? Und wie sollen Gewerbeflächen erschlossen werden? Ein weiteres Thema: Das liebe Geld, die Verwaltung und der Dezernats-Zuschnitt.
Wer wird neuen Oberbürgermeister?
Innenstadt: Verödet oder belebt?
Beide Kandidaten sehen die Herausforderungen, die der Einzelhandel in Wiesbaden zu bewältigen hat. Von Debschitz warf Amtsinhaber Mende vor, zu zögerlich bei der Belebung der Innenstadt zu handeln: „2019 haben Sie selbst das Potenzial der Innenstadt betont – passiert ist wenig.“ Mende hingegen verwies auf erste Fortschritte: Wir sehen bereits positive Entwicklungen in der Langgasse und der Mauergasse. Der City-Manager arbeitet aktiv daran, Leerstände zu reduzieren.
Einigkeit bestand darin, dass der City-Manager mehr Kompetenzen und Budget erhalten sollte. Das es zusätzlich einen Nachtbürgermeister geben solle, um das Nachtleben strukturierter zu gestalten und die Aufenthaltsqualität der Innenstadt zu steigern.
Mehr Kompetenzen für den City-Manager
Der City-Manager soll nach Vorstellung beider Kandidaten eine zentrale Rolle bei der Belebung der Innenstadt spielen. Mende betonte, dass bereits erste Fortschritte erzielt wurden: Wir haben mit dem City-Manager eine Anlaufstelle geschaffen, die gezielt auf die Probleme Sicherheitsrisiken, Leerstand und Stadtentwicklung eingeht. Er verwies auf den positiven Trend in einigen Straßenzügen, – etwa in der Langgasse, wo es keinen Leerstand mehr gebe – stellte aber auch klar, dass noch viel Arbeit vor der Stadt liege. Von Debschitz sah dies anders: Der City-Manager hat zu wenig Handlungsspielraum. Er braucht ein eigenes Budget und mehr Entscheidungsbefugnisse, um wirklich effektiv agieren zu können. Er schlug vor, die Kompetenzen des City-Managers so zu erweitern, dass dieser eigenständige Entscheidungen über Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt treffen könne. Ein weiteres Element in der Diskussion war die Einführung eines Nachtbürgermeisters. Von Debschitz argumentierte: Ein Nachtbürgermeister kann als Vermittler zwischen Anwohnern, Gastronomen und Behörden fungieren. Gerade in einer Stadt wie Wiesbaden, die ein attraktiver Kultur- und Gastronomiestandort sein will, brauchen wir eine zentrale Ansprechperson für das Nachtleben. Mende unterstützte die Idee und kündigte an, eine eigene Stelle für den Nachtbürgermeister zu schaffen: Dieser Posten wurde in der Vergangenheit nicht mit der notwendigen Priorität behandelt. Der damalige Dezernatsleiter sah den Nachtbürgermeister zunächst als untergeordnetes Thema und wollte erst Erfahrungen sammeln. Das muss sich ändern. Ich werde mich dafür einsetzen, dass der Nachtbürgermeister die Bedeutung erhält, die er für eine lebendige Innenstadt verdient.
Dezernate: Wer entscheidet über den Verkehr?
Kontrovers wurde auch die Verteilung der Dezernate diskutiert. Von Debschitz kündigte an, den Aufsichtsratsvorsitz von ESWE Verkehr zur Chefsache zu machen. Seine Begründung: Ich möchte Ruhe und Sachlichkeit in die Debatte bringen. Mende konterte scharf: Das Gegenteil ist der Fall. Eine Herauslösung des Themas aus dem Verkehrsdezernat bedeutet mehr Zersplitterung und Chaos.
Doch von Debschitz will noch weitergehen: Er kündigte an, als Oberbürgermeister nicht nur den Verkehr, sondern auch die Digitalisierung und Stadtplanung stärker in die eigene Verantwortung zu nehmen. Er argumentierte, dass es ineffizient sei, wenn diese Themen auf mehrere Dezernate verteilt sind. Besonders die Digitalisierung der Verwaltung hält er für einen Bereich, der neu strukturiert werden müsse: Aktuell sind zentrale Digitalisierungsthemen auf zwei Dezernate verteilt. Das führt zu unnötigen Reibungsverlusten. Ich möchte das bündeln und damit effizienter gestalten. Mende hält davon wenig. Für ihn ist eine klare Dezernatsstruktur entscheidend für die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung: Es bringt nichts, Kompetenzen an einer Stelle zu konzentrieren, wenn dadurch andere Bereiche an Effizienz verlieren. Die Dezernatsverteilung ist so angelegt, dass Fachleute ihre jeweiligen Ressorts leiten. Der Oberbürgermeister sollte moderieren und steuern, nicht alle Schlüsselbereiche selbst übernehmen.
Gewerbeflächen: Stillstand oder Strukturwandel?
Ein weiteres Kernthema war die Bereitstellung von Gewerbeflächen. Von Debschitz prangerte an, dass die Stadt auf keine der zuletzt abgefragten Gewerbeflächen ein Angebot gemacht hätte. Es gibt zahlreiche Unternehmen, die in Wiesbaden investieren wollen, aber schlicht keine Möglichkeit dazu haben. Wir verlieren damit wertvolle Einnahmen und verprellen potenzielle Investoren. Er konfrontierte Mende mit dessen eigenen Aussagen zu Beginn seiner Amtszeit: 2019 haben Sie selbst betont, dass Gewerbeflächen dringend ausgeweitet werden müssen. Doch was ist passiert? Mende widersprach dem Vorwurf des Stillstands vehement: Wir haben in Wiesbaden erfolgreiche Gewerbeansiedlungen wie den neuen Campus der Suprochemie oder die Expansion von Kalle Albert erreicht. Zudem wurde mit Hightogen ein zukunftsweisendes Unternehmen im Bereich Wasserstofftechnologie angesiedelt. Er betonte, dass es keinen Stillstand gebe, sondern vielmehr eine durchdachte Entwicklung erforderlich sei: Einfach nur Flächen ausweisen reicht nicht. Wir müssen nachhaltig planen und sicherstellen, dass die Infrastruktur mitwächst.
Stadtfinanzen: Solides Haushalten oder Sparzwang?
Ein weiteres großes Thema des Abends war die Finanzlage der Stadt. Von Debschitz forderte eine strengere Haushaltsdisziplin und betonte: Wir müssen endlich damit aufhören, mehr auszugeben, als wir einnehmen. Es ist fahrlässig, dass Wiesbaden trotz Rekordeinnahmen seine Rücklagen fast vollständig aufgebraucht hat. Er sprach sich für eine klare Priorisierung bei den Ausgaben aus und stellte infrage, ob sämtliche Förderprogramme und Investitionsprojekte in der jetzigen Form sinnvoll seien. Mende hielt dagegen und argumentierte, dass viele finanzielle Belastungen durch Entscheidungen von Bund und Land verursacht würden: Wir bekommen immer mehr Aufgaben übertragen, ohne dass die Finanzierung gesichert ist. Das betrifft insbesondere Sozialausgaben, Kitas und Schulen. Wir haben nicht zu viel ausgegeben, sondern mussten investieren, um die Lebensqualität in Wiesbaden zu sichern. Er verwies darauf, dass der Haushalt zwar angespannt sei, aber langfristig durch steigende Gewerbesteuereinnahmen stabilisiert werden könne. Von Debschitz dagegen eine stärkere Kontrolle über die städtischen Ausgaben: Wir müssen prüfen, wo wir effizienter werden können. Es kann nicht sein, dass wir Geld in Maßnahmen stecken, die nicht den gewünschten Effekt haben. Mende konterte: Natürlich müssen wir klug wirtschaften. Aber wir dürfen auch nicht auf Kosten der Zukunft sparen. Wer jetzt Investitionen in Schulen, Infrastruktur oder Klimaschutz stoppt, wird in wenigen Jahren noch viel höhere Kosten haben. Andere Themen waren das wachsende Gefälle zwischen Gräselberg und Sonneberg, das Thema Ehrenamt aber auch die amerikanische Basis in Wiesbaden, mit alle Befürchtungen und Ausweitungen des strategischen US-Standorts – ebenso wie das Walhalla.
Abschluss mit Satzergänzungen
Zum Abschluss der Debatte gaben das Moderatoren-Duo Christian Matz und Henri Solter den Kandidaten Satzanfänge vor, die sie vervollständigen sollten. „Herr Mende, 7,6 Prozentpunkte Vorsprung im ersten Wahlgang“ – “sind ein schönes Zwischenergebnis aber mathematisch noch nicht ausreichend. Mein Ziel ist 50 plus.“ Für Thilo von Debschitz bedeuteten die 7,6 Prozentpunkte Rückstand im ersten Wahlgang vor allem eines: „Mein Atem im Nacken von Herrn Mende.“ „Die geringe erwartete Wahlbeteiligung ihre Stimme abzugeben:“ „Wir mobilisieren alle Wiesbadener, am Wahltag zur Urne zu gehen oder bereits im Wahlamt zu wählen. Mende pflichtete dem bei: Eine niedrige Wahlbeteiligung ist Ausdruck einer Unterschätzung der Bedeutung von Kommunalpolitik. Wir gestalten die Lebensverhältnisse vor Ort – ob Kitas, Schulen oder Sportstätten. Deshalb werbe ich intensiv dafür, wählen zu gehen.“
In der abschließenden persönlichen Einschätzung lobte Mende an seinem Kontrahenten dessen künstlerische Ader und dessen Engagement für das jüdische Erbe. Von Debschitz betonte den respektvollen Umgang Mendens während des gesamten Wahlkampfs. Und nach der intensiven Debatte? Während Mende am Tag nach der Wahl Haus und Hof in Ordnung bringen will, plant von Debschitz einen Besuch bei seiner Tante. Mit diesen Worten endete das Duell. Nun liegt die Entscheidung bei den Wiesbadenern, die am 30. März über die Zukunft ihrer Stadt abstimmen werden.
Foto – Gert-Uwe Mende, Thilo von Debschitz (Montage) ©2025 Wiesbaden lebt
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