Ein Cellist stimmt Bach an – am Militärtor. Soldaten zögern. Musik erfüllt das Morgengrauen. Der Zugang zum 56. Artilleriekommando bleibt blockiert.
Der Ort: Mainz-Kastel, kurz nach sieben Uhr. Wo sonst Militärfahrzeuge rollen, erklingen am 11. Juni Streicher, Bläser und Stimme. Musiker der Gruppe Lebenslaute verwandeln das Tor zum neuen Hauptquartier der Multi-Domain-Task-Force und des 56. Artilleriekommandos in eine Bühne. Mitten im morgendlichen Berufsverkehr greifen sie zu Geigen statt Megafon, zu Bach statt Barrikade – und blockieren für über eine Stunde den Zugang die ZUfahrt zur Kommandozentrale.
Musik als zivile Ungehorsamkeit
Der Anlass ihres Konzerts: Die angekündigte Stationierung neuer, transportfähiger US-Mittelstreckenraketen in der Region. Das Protest-Ensemble, bekannt für kreative Aktionen des zivilen Ungehorsams, inszeniert seine Kritik an einer Politik der Aufrüstung in Form eines Konzertblocks – buchstäblich. Der morgendliche Stau wird zum Nebenprodukt eines klaren Signals: „Frieden braucht keine Raketenstellungen.“
Von Händel bis Rzewski: Der Sound des Widerstands
Im improvisierten Vorspiel vor dem Stützpunkt dominieren leise, aber eindringliche Töne. Später am Paulusplatz geben die Musikerinnen ein vollständiges Konzert. Das Programm reicht von Händels Waffenhandwerk schafft nur Unheil bis zu modernen Stücken und afrikanischen Liedern. Zwischen den Sätzen mahnen Redner wie Thomas Schwörer und Albert Meyer: Europa dürfe nicht erneut zum nuklearen Aufmarschgebiet werden.
Die Bedrohung ist real
Für viele Beteiligte steht fest: Die neue Kommandozentrale macht Mainz-Kastel im Ernstfall zum militärischen Ziel. Ortsvorsteher Hartmut Bohrer warnt vor den Folgen einer Aufrüstungsspirale: „Hier entsteht ein Knotenpunkt für potenzielle Erstschläge.“ Eine lokale Stimme, Beate Körsgen, bringt es auf den Punkt: „Wir wollen keine Kommandozentrale des Krieges in unserer Stadt.“
Foto – Ensemble Lebensfreude BaWü ©2025 Privat
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