Letzte Woche fand in der Bar Heaven im Westend der Auftakt zu Oberbürgermeisterwahl der Grünen statt, ein Abend, der als nur politische Rhetorik versprach.
Politik und Plausch mit Gesine Bonnet lautete das Motto des gut besuchten Abends. Er verlangte den Gästen einiges an Stehvermögen ab. Dicht gedrängt lauschten sie den Worten der Grünen-Politikerin im hintren Bereich der Bar. Mit gespitzten Ohren saugten sie ihr Zwiegespräch mit Moderator Chris Scheler auf: Von ihrem Engagement als Mutter in Kita und schulischem Förderverein führte sie der Weg über den Ortsbeirat Mitte bis in die Stadtverordnetenversammlung, wo sie seit 2021 als wirtschaftspolitische Sprecherin und seit zwei Jahren als Fraktionsvorsitzende Verantwortung trägt. Wir haben nachgefragt… Frau Gesine Bonnet, …
… was hat Sie dazu bewegt, für das Amt der Oberbürgermeisterin zu kandidieren?
Ich möchte Verantwortung übernehmen für unsere Stadt und Dinge voranbringen. Das habe ich bereits in unterschiedlichen Positionen bewiesen – als Kita-Elternbeirätin, als Fördervereinsvorsitzende der Grundschule meiner Kinder und – aktuell – als Kommunalpolitikerin. Wir befinden uns heute in einer Ära, in der herkömmliche Lösungen häufig nicht mehr passen und es neuer Antworten bedarf. Deswegen brauchen wir in unserer Stadt einen Aufbruch, um Zukunftsprojekte voranzutreiben und Beteiligte zusammenzubringen. Als Oberbürgermeisterin will ich für diesen Aufbruch einstehen und ihm eine Stimme geben. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass unsere Stadt in Zukunft noch lebenswerter wird, ein tolerantes Miteinander pflegt und die Chancen der Veränderung nutzt. Mir ist es vor allem wichtig, Wiesbaden familienfreundlicher zu gestalten, der lokalen Wirtschaft Türen zu öffnen und den Klimaschutz voranzutreiben.
… Sie sind seit 2021 in der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung aktiv und seit 2022 Fraktionsvorsitzende der Grünen. Wie haben diese Erfahrungen Ihre politischen Überzeugungen und Prioritäten geprägt?
Ich habe erfahren, dass es lohnt, sich für die eigenen Überzeugungen einzusetzen und einen langen Atem zu haben. Oft geht es nicht so schnell wie erhofft, auch weil die Suche nach Kompromissen nicht immer leicht ist. Aber nur so können wir in einer Demokratie Mehrheiten für die eigenen Anliegen gewinnen. Was ich auch gelernt habe: Für die Idee einer lebenswerten, grünen Stadt und eines einladenden öffentlichen Raums lassen sich viel mehr Menschen begeistern, als man denkt. Der Mehrwert ist zu sehen und zu erleben. Zum Beispiel die Parklets, also die kleinen Gastro-Terrassen am Straßenrand, für die ich mich sehr engagiert habe: Ja, sie nehmen einen Parkplatz weg, aber sie beleben unsere Stadt, sorgen für mehr Gastlichkeit und die Leute schätzen das.
… welche Eigenschaften und Fähigkeiten bringen Sie persönlich in dieses Amt ein, die Sie von anderen Kandidaten unterscheiden?
Zum einen bringe ich praktische Erfahrungen aus der Politik mit, kenne die Abläufe und das Zusammenspiel zwischen politischem Betrieb und Verwaltung. Für die Grünen habe ich federführend den Haushalt 2025 verhandelt, mit dem wir trotz angespannter Finanzlage die Stadt am Laufen halten und neue Projekte auf den Weg bringen. Auf der anderen Seite habe ich mir durch meinen Job als selbstständige Redakteurin und Moderatorin einen frischen Blick von außen bewahrt. So habe ich in den letzten Jahren mit den unterschiedlichsten Organisationen – vom Dax-Konzern bis zur gemeinnützigen Stiftung – zusammengearbeitet und Kommunikationsstrategien entwickelt. Dadurch bringe ich zudem wirtschaftliche Expertise und Erfahrungen in der Begleitung von Veränderungsprozessen mit. Schließlich: Mir liegt das Brückenbauen. Das habe ich schon mehrfach bewiesen und ich bin überzeugt, dass ich das im Amt der Oberbürgermeisterin stark machen kann.
Fragen zu den programmatischen Schwerpunkten
…, Sie sprechen von der Energiewende, dem Strukturwandel der Innenstadt und der Digitalisierung als zentrale Themen. Wie möchten Sie diese Herausforderungen konkret angehen? Und was bedeutet für Sie die Energiewende auf kommunaler Ebene, und welche Maßnahmen sehen Sie als dringend notwendig?
Der Umstieg auf klimaneutrale Energiequellen ist ein Jahrhundertprojekt und für unseren Wirtschaftsstandort entscheidend. Wir müssen unter anderem die Fernwärme und unsere Stromnetze ausbauen. Das sind Infrastrukturvorhaben, die eine gute Koordination erfordern und natürlich im Alltag der Menschen spürbar sind, weil damit auch Baustellen einhergehen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, die Bürger:innen gut zu informieren, sie einzubeziehen und für ihre Fragen und Anliegen erreichbar zu sein.
… die Innenstadt vieler Städte steht vor einem Wandel. Welche konkreten Ideen haben Sie, um Wiesbadens Innenstadt zukunftsfähig zu gestalten?
Ja, der Wandel der Innenstadt ist nicht aufzuhalten, denn der Trend zum Online-Handel setzt den Einzelhandel dauerhaft unter Druck. Noch sieht es in Wiesbaden besser aus als anderswo. Aber wir müssen nach vorne denken, brauchen einen neuen Nutzungsmix, neben dem Einzelhandel zum Beispiel auch Bildung, Kultur, Bürgerservices und Wohnen. Temporäre Leerstände können Raum schaffen zum Ausprobieren, für kreative, auch künstlerische Projekte, lokale Design-Märkte oder einen Jugendclub. Dafür ist es aus meiner Sicht unerlässlich, zumindest die Immobilieneigentümern, die greifbar sind, an einen Tisch zu bringen. Schlüsselimmobilien als Stadt zu erwerben, wie jetzt beim Sportscheck geschehen, halte ich ebenfalls für richtig. Auch mehr Gastronomie tut der Stadt gut, das merkt man in der Langgasse und den Seitenstraßen, die sehr lebendig sind. Wenn die Menschen Spaß dabei haben, durch die Stadt zu flanieren, wenn sie sich hier gerne aufhalten, dann schauen sie auch in interessante Läden hinein. Es gibt gerade unter den inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften einige, die sich genau darauf einstellen und mit neuen Konzepten an den Start gehen.
…, Digitalisierung ist ein großes Thema – was sind Ihre Pläne, um Wiesbaden als digitalisierte, moderne Stadt voranzubringen?
Wir sind hier in den letzten Jahren schon kräftig vorangekommen. Ebenso bei der Digitalisierung von internen Prozessen, der Einführung von elektronischen Akten und der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes, wie im Bereich Smart City, also der Frage, wie wir unsere Stadt mit intelligenten digitalen Lösungen noch nachhaltiger und zukunftsfähiger machen. Die digitale Transformation ist eine Querschnittsaufgabe und wie bei allen Veränderungsprozessen gibt es einerseits Hoffnungen, andererseits Skepsis, Widerstände und eine Reihe von Problemen, die im Verlauf gelöst werden müssen. Zum Beispiel müssen wir uns fragen, wie wir sicherstellen, dass die Menschen einbezogen sind, die weniger digitalaffin sind. In der Verwaltung geht die Digitalisierung mit einem Kulturwandel einher, es gibt neue Formen der Zusammenarbeit quer zu den Ämtern. Darin sehe ich eine riesige Chance auch für attraktive Arbeitsplätze. Als Oberbürgermeisterin möchte ich dafür eintreten, dass dieser Veränderungsprozess gelingt, und dazu eng mit den Führungskräften zusammenarbeiten, die Belegschaft mitnehmen und einen intensiven Austausch mit dem Gesamtpersonalrat pflegen.
Fragen zur Bürgerbeteiligung und Zusammenarbeit:
…, Sie betonen, wie wichtig es Ihnen ist, Menschen zum Mitdenken und Mitwirken zu motivieren. Welche Formate oder Plattformen zur Bürgerbeteiligung möchten Sie schaffen oder stärken? // Wie möchten Sie neue Bündnisse schmieden, um gemeinsam mit anderen Akteur:innen die Zukunft der Stadt zu gestalten?
Es ist aus meiner Meinung nicht unbedingt notwendig, neue Formate einzuführen, da wir bereits verschiedene Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, auch online, im Angebot haben. Die gilt es immer wieder zu bewerben, damit möglichst viele teilnehmen. Mir geht es eher darum, bei den zahlreichen Veränderungsprozessen, die wir derzeit erleben, kluge Lösungen mit Akteuren aus der Stadtgesellschaft zu entwickeln. Anders ist es nach meiner Überzeugung nicht möglich. Beispiel Innenstadt: Hier brauchen wir innovative Ideen, unternehmerischen Mut und künstlerische Vorstellungskraft, um eine neue, lebendige City zu gestalten. Für Politik und Verwaltung sehe ich insbesondere die Aufgabe, Türen zu öffnen, Fördermittel bereitzustellen, Experimente zuzulassen und natürlich auch Standards sicherzustellen.
…, welche Rolle spielt für Sie Transparenz in der Kommunikation mit den Bürgern?
Eine große. Ich halte im Übrigen sehr viel von einer ehrlichen Politik, die den Menschen nichts vormacht, und wende mich gegen jede Form populistischer Vereinfachung unserer nun mal komplexen Welt.
Persönliche Vision:
…, wenn Sie in fünf Jahren auf Ihre erste Amtszeit zurückblicken: Was möchten Sie unbedingt erreicht haben?
Dass wir bei der Energiewende ein erhebliches Stück vorangekommen sind und im Zuge des Fernwärmeausbaus die Schwalbacher Straße in einen blühenden Boulevard verwandelt haben, an dem die Leute gerne sitzen und bei einem Bier oder Wein den Sonnenuntergang genießen. Dass die Mauritius-Höfe verwirklicht und durch behutsame Nachverdichtung, Aufstockung und Überbauung etwa von Supermärkten, einige hundert neue Wohnungen entstanden sind. Auch möchte ich bis dahin eine nachhaltige Weiterentwicklung des Gewerbegebiets am Petersweg auf den Weg gebracht haben. Alle Verwaltungsleistungen, bei denen es möglich ist, sollten digital zur Verfügung stehen. Schließlich: dass unsere Stadt viel grüner ist und somit auch bei sommerlicher Hitze genügend Abkühlung bietet und nicht mehr jedes fünfte Kind in Wiesbaden in Armut lebt.
…, welche langfristige Vision haben Sie für Wiesbaden, und wie möchten Sie diese verwirklichen?
Meine Vision ist ein grünes, lebenswertes und wirtschaftlich starkes Wiesbaden, das stolz auf seine Vielfalt ist! Vielen Dank, Frau Bonnet, für das aufschlussreiche Gespräch. Ihre klare Vorstellung von der Zukunft der Stadt und Ihre engagierte Haltung machen deutlich, dass Sie mit Leidenschaft und konkreten Ideen an die Herausforderungen herangehen wollen. Viel Erfolg. Volker Watschounek Foto – Gesine Bonnett stellt ihr Programm zum Heaven vor ©2025 Wiesbaden Lebt! Weitere Nachrichten aus dem Ortsbezirk Westend lesen Sie hier.
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