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OB Gert-Uwe Mende steht im Hintergrund, Dr. Gerhard Obermayr gratuliert Bogdan Bartnikowski.

„Damit sich nie wieder jemand abwendet“

Wiesbaden ehrt Bogdan Bartnikowski mit der silbernen Bürgermedaille. Der Auschwitz-Überlebende erzählt unermüdlich, damit die Geschichte nicht verblasst. Kein Pathos, sondern Klarheit. Kein Ritual, sondern Anerkennung. Ein Zeichen der Stadt – gegen das Vergessen, für die Zukunft.

Volker Watschounek 4 Wochen vor 0

Wiesbaden ehrt den Auschwitz-Überlebenden Bogdan Bartnikowski. Der kleine Festsaal verneigt sich vor einem Leben gegen das Vergessen.

Der Applaus kam nicht hastig, sondern warm. Im kleinen Festsaal des Rathauses erhob sich das Publikum, als Bogdan Bartnikowski nach vorne trat. 93 Jahre alt, schmal, gerade, klar im Blick – ein Mann, der den Holocaust überlebt hat und seither unermüdlich erzählt. Aus Pflicht, aus Überzeugung. Damit die Geschichte nicht im Archiv verstaubt, sondern lebendig bleibt – in Klassenzimmern, auf Podien, in den Köpfen der Jugend. Für dieses Engagement zeichnete die Landeshauptstadt Wiesbaden ihn am Donnerstag mit der Bürgermedaille in Silber aus.

Der OB verneigt sich

Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende sprach nicht von der Vergangenheit, sondern von Verantwortung. In seiner Laudatio erinnerte er an das Schicksal eines Jungen, der 1944 als 12-Jähriger nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Er erinnerte an einen Überlebenden, der später in Warschau als Journalist arbeitete. An jemdanden der eindrucksvolle Bücher gegen das Vergessen schrieb – darunter Ein Junge aus dem Warschauer Aufstand. Oder Rückkehr nach Auschwitz. Mende hob nicht nur das Erinnern hervor, sondern das, was daraus erwächst: Bartnikowski habe seine Erlebnisse in eine Botschaft der Versöhnung verwandelt – eine Brücke in die Zukunft, wie der OB sagte.

Zeitzeuge mit Mission

Bartnikowski reist seit über einem Jahrzehnt regelmäßig nach Wiesbaden. Er spricht an Schulen, besucht Veranstaltungen, diskutiert mit Jugendlichen. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in diesem Rathaus stehen und eine solche Auszeichnung entgegennehmen würde, sagte er gerührt. Viel wichtiger als die Medaille, betonte er, seien jedoch die Begegnungen mit den Menschen. Es ist die Jugend hier, die mich immer wieder beeindruckt. Ihre Fragen, ihr Mitgefühl, ihre Aufmerksamkeit. Er sprach leise, aber bestimmt. Kein Pathos, sondern Klarheit. Und ein tiefer Wunsch: dass die Erinnerungen nicht nur gehört, sondern weitergetragen werden.

Bogdan Bartnikowski bedankt sich (re Dolmetscherin)
Bogdan Bartnikowski bedankt sich (rechts Dolmetscherin)

Worte, die bleiben

Unter den Gästen im kleinen Festsaal war auch Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr. Er ließ es sich nicht nehmen, ergämnzende Worte zu sagen. Seine Stimme stockte mehrfach, als er seine persönliche Verbindung zu Bartnikowski schilderte. Ihr Buch liegt bei mir zu Hause auf dem Tisch – mit Ihrer Widmung. Es ist ein Anker, ein Erinnerungsstück. Er dankte Bartnikowski und auch jenen, die diese Begegnungen über Jahre ermöglicht haben: dem Verein Zeichen der Hoffnung, dem ehemaligen Pfarrer Klaus Endter und vielen stillen Helfern.

Eine Auszeichnung für viele

In den Worten aller Redner schwang mit: Die Medaille gilt nicht nur dem Einzelnen. Sie steht für die vielen Zeitzeugen, die über Jahrzehnte hinweg nach Wiesbaden kamen. Denjenigen, die kamen um zu berichten, zu mahnen und zu versöhnen. Die Stiftung Zeichen der Hoffnung hat diese Besuche initiiert. Ein zivilgesellschaftliches Projekt, das entstand, als staatliche Stellen sich weigerten, Verantwortung für ehemalige polnische KZ-Häftlinge zu übernehmen. Aus diesem Engagement wuchs eine Bewegung. Und aus dieser Bewegung entstand Vertrauen.

Die Zukunft nicht dem Zufall überlassen

Wir müssen aus der Vergangenheit lernen – für das Heute und das Morgen, bedankte sich Bartnikowski bei allen Anwesenden zu. Die Versöhnung zwischen Deutschland und Polen liegt ihm besonders am Herzen. Er verwies auf die vielen persönlichen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen beiden Ländern und sprach von Hoffnung, Verständigung und einem Miteinander, das täglich neu errungen werden müsse. Es war keine politische Rede, sondern ein menschliches Zeugnis – glaubwürdig, bewegend, eindringlich.

(v.l.n.r. ) Vizekonsul Jan Krzymowski, Peter Galetzka, Dr. Gerhard Obermayr, Klaus Endter, Bogdan Bartnikowski, Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende

Ein Tag für die Stadtgeschichte

Die Verleihung der Bürgermedaille endete mit einem eindringlichen Applaus. Kein Geräusch des Protokolls, sondern ein echtes Zeichen der Anerkennung. Bartnikowski bleibt kein Denkmal, sondern ein Mensch, der wirkt. In einer Zeit, in der antisemitische Stimmen lauter werden, ist seine Anwesenheit auch als Nicht-Jude, sondern als Zeitzeuge des Waschauer Aufstands – ein notwendiges Zeichen. Wiesbaden hat ihm dafür mit der Bürgermedaille gedankt. Doch der größere Dank kam aus den Blicken, dem Schweigen, der aufrichtigen Rührung der Personen im Saal.

Foto – Gert-Uwe Mende und Dr. Gerhard Obermayr überreichen die Silberne Bürgermedaille an Bogdan Bartnikowski ©2025 Volker Watschounek

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